Der Surrealismus der Leipziger Schule

Die Kunst hat viele Gesichter. Kunst kann das von Christine Bisig entworfene Strickvelo sein, Kunst kann aber auch die Aufbereitung der Dorfgeschichte der Gemeinde Ortsbuch sein. Kunst kann von namhaften Künstlern stammen oder von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Doch auch berühmte Vertreter bekannter Kunstrichtungen, wie beispielsweise des Surrealismus der Leipziger Schule, sind greifbar.
Drei berühmte Vertreter – Lutz Ketscher, Neo Rauch und Gerhard Richter –
sollen Thema in diesem künstlerischen Exkurs nach Leipzig sein.

Abbildung 1: Die Stadt Leipzig bzw. die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig,
ist das, was die Akteure der Leipziger Schule eint. Künstlerisch hat jeder seine eigene Handschrift.

Von der Alten Leipziger Schule zur neuen Leipziger Schule

Die Malerei, die sich unter dem Oberbegriff der Leipziger Schule zusammenfassen lässt,
hat weniger Inhaltliches gemein, als eher ihre Wirkungsstätte, nach der sie auch einheitlich benannt ist. Vieler jener, die in der Stadt Leipzig malten bzw. an der Hochschule für Grafik und Buchkunst ihre Ausbildung genossen, zählen zur Leipziger Schule. Gegründet wurde die Hochschule im Jahr 1949 in der DDR. Die Intention der Hochschule war es,
die sozialistische Gesellschaft und ihre Entstehung künstlerisch zu begleiten.
Entstanden ist so der Sozialistische Realismus. Namhafte Lehrer der Leipziger Schule waren Klaus Weber, Walter Arnold, Gerhard Kurt, Max Schwimmer, Harald Hellmich,
Ernst Hassebrauk und Elisabet Voigt. Malerisch läuteten Willi Sitte, Bernhard Heisig,
Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer die Leipziger Schule ein.
Zwei von ihnen waren als Dozenten in Leipzig tätig, zwei in Halle.

Auch in ihrem Stil ähnelten sie sich kaum. Tübke zeigt Züge der Renaissance, des Muralismo und des Manierismus. Mattheuers Kunst war hingegen eher von einem nüchternen, gar sachlichen Stil geprägt. Heisig setzte auf gestische Malerei,
die auf so manchen Betrachter sogar expressiv wirken musste.
Den vier Protagnisten der Alten Leipziger folgte eine zweite und dritte Generation an Künstlern, wie etwa Günter Thiele, Harry Blume, Volker Stelzmann, Dietrich Burger,
Arnd Schultheiss, Hans-Hendrik Grimmling, Arno Rink, Ulrich Hachulla, Günter Richter, Wolfgang Peuker und Rolf Münzner. Mit Matthias Weicher, Tim Eitel und Martin Kobe wurde das Zeitalter der Neuen Leipziger Schule eingeläutet. Die Künstler Neo Rauch, Lutz Ketscher und Gerhard Richter sind die heute wohl bekanntesten Vertreter dieser Kunstrichtung.

Lutz Ketscher, der stille Meister seines Faches

Als „stiller Meister seines Faches“ wird Lutz Ketscher beschrieben. Eine gewisse Ambition, die aus dem Elternhaus stammen muss, kann keiner leugnen, der die Biografie von Lutz R. Ketscher kennt. Sein Vater arbeitete in einem Verlagshaus, illustrierte Bücher,
erstellte Grafiken und verhalf seinem Sohn zu einer Ausbildung in einem Buchverlag. Chromolithograph sollte Ketscher jun. werden. Die Chromolithographie bezeichnet die Herstellung von mehrfarbigen Drucken und stammt von der Lithographie ab,
dem Druckverfahren, das viele Jahre bis etwa Mitte des 20. Jahrhundert das am häufigste verwendete Druckverfahren war. Ketscher absolvierte nach der Ausbildung die Hochschule für Grafik und Buchkunst, wie viele Vertreter der Leipziger Schule vor ihm, mitunter bei den Professoren Mattheuer und Heisig. Sein künstlerisches Markenzeichen sind Präzision und Detailliebe, die Ketscher mit einem Bild- und Farb-Harmonie füllt und ausgestaltet.
Hier und da bemerkt der aufmerksame Beobachter ein künstlerisches Zitat der Antike.

Neo Rauch, der Jubilar aus dem Jahr 2020

Erst im vergangenen Jahr feierte der renommierte Künstler, Neo Rauch, seinen 60. Geburtstag. Gehandelt wird Rauch als der Begründer der Neuen Leipziger Schule,
die natürlich längst über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt ist.
Einst wurden die Kunstwerke von Rauch als Laboratorien bezeichnet, die das Tagtägliche samt seiner wahnsinnigen Elemente in einer Grafik verarbeiteten. Und wer die Werke näher betrachtet, sieht genau das: In Uniform gekleidete Menschen treffen künstlerisch auf ein jugendliches Outfit und ahmen sogar den in den 60er Jahren beliebten Dresscode künstlerisch nach. Etwas Traumhaftes lässt sich in seinen Werken erkennen – als Pendant zum Realismus. Auch Rauch studierte in Leipzig unter Heisig und setzte in seinen praktischen Phasen nicht immer auf Altbekanntes, sondern folgte auch der figürlichen Malerei, die nicht gerade viele Fans auf sich vereinen konnte. Dennoch schlug Rauch diesen Weg ein und kreierte sich einen Mix aus Vorstellung und Realem. Aus Comics und Kommunismus. Gerade dieser Mix hebt seine Werke deutlich von anderen ab;
eine Nachahmung von Vorlagen war und ist für Rauch unmöglich.
Stattdessen spricht die Fachpresse von einer Eigentümlichkeit seiner Werke.
Rauch selbst lehrte in Leipzig.

Gerhard Richter floh mit 29 Jahren aus der DDR

Im Jahr 1961 kehrte Gerhard Richter seiner Heimat, der DDR, den Rücken. Er floh aus dem Regime und folgte als junger Mann von 29 Jahren dem Ruf der Kunst. In Düsseldorf wollte Richter Kunst studieren und praktizierte damit auch einen wahren Ritt durch allerlei Kunststile. In den Nachkriegsjahren wurde die Kunst vielerorts und immer häufiger infrage gestellt. Doch für Richter, der das Leben im Regime kannte, war klar, warum er der Kunst folgen wollte und ausserhalb der DDR auch konnte: Für ihn waren Freiheit und Kunst untrennbar miteinander verbunden. Viele Kunstkritiker beschreiben sein Werk als das Ergebnis einer Interaktion des Künstlers mit seiner Grafik. Das Resultat: Bunte Farbtupfer, die Richter mit dem Pinsel aufträgt, und weitere Farben, die aufgetragen und mit einem Rakel abgetragen werden. Als riskant und zufällig beschreibt der Künstler selbst seine Art des Wirkens, die abstrakte Gemälde und Motive mit Figuren auf die Leinwand bringt.

Abbildung 1: pixabay.com © 2052920 (CC0 Public Domain)