Warum hat Sven so viele Osterhasen?

Bald kommt der Osterhase um die Ecke. | Bild Lars de Groot
Bald kommt der Osterhase um die Ecke. | Bild Lars de Groot

Wenn gefeiert, gefestet und geschenkt wird – wie etwa an Ostern – dann treten Unterschiede zwischen «Sein und Haben» offen zu Tage, vor allem auf offene Kinderaugen. Wir sehen in der Kinderarmut aber auch Chancen – wie einen österlichen Lichtblick.

er. Ostern ist ein Freudenfest – und ganz besonders ein Kinderfest. Wie bei so manchem Brauchtum auch, stehen die Kinder nicht am Rande des Geschehens und der «Bescherungen». Auf die kindliche Frage: «Warum hat Sven so viele Osterhasen?» haben Mütter wohl schnell eine gute Antwort. Doch die Frage setzt sich über die Jahre fort mit «Autöli und Bäbi» bis zu Spielen, Kleidern und Ferien, Fahrrad, Mofa, Töff, Auto, Studium, bis die Antwort unausweichlich – oder überflüssig – wird, dass andere eben mehr Geld ausgeben können. Mit dem wiederkehrenden Vergleich mit andern, die «mehr haben», erleben Kinder was Armut ist. Kinderarmut ist wie weltweit und in der Schweiz auch direkt bei uns kein Randphänomen. Gerade in der «Dekade zur Halbierung der Armut» sollten wir in Besinnlichkeit darüber nachdenken, ob aus der Not auch eine Tugend werden könnte. Denn: Armut vermeiden beginnt im Kopf!

«Absolute» Kinderarmut
Seit zwei Jahrzehnten versuchen die Statistiker über immer ausgeklügeltere Methoden, die Armut brauchbar zu definieren und dadurch vermeidbar zu machen. Bisher liefert die noch junge Sozialhilfestatistik mit den auf das bedarfsabhängige Existenzminimum ausgerichteten Leistungen die konkretesten Zahlen zur neu formulierten «absoluten Armut», also über Existenzminimum, unterstützte Personen, die Sozialhilfequote, die Unterstützungsleistungen und -kosten und auch die Risiken und Ursachen der Armut werden hier sichtbar. Die wichtigsten Fakten daraus lassen sich auch auf andere Berechnungsarten übertragen, von der «Armutsgefährdung», über die relative bis zur subjektiven Armut. Im Jahre 2010 bezogen in der Schweiz rund 230’000 Personen wirtschaftliche Sozialhilfe, davon rund 80’000 Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren. Im Kanton Luzern waren es rund 7800 Personen, wovon 32,6% oder 2500 Kinder von 0 bis 17-jährig (inklusive Jugendliche bis 25-jährig sind es sogar 44%). Auf das Rontal umgerechnet sind das schätzungsweise 270 Kinder, resp. 360 inklusive Jugendliche.

Deutliche Armutsrisiken
Die Fakten und Zahlen der Sozialhilfe im Kanton Luzern für 2010 sind so deutlich wie erschreckend, besonders mit Blick auf die Kinderarmut. Arbeit: Rund 75% der Sozialhilfebezüger sind ganz oder teilweise arbeitslos oder erwerbslos. Wohnort: Rund 75% der Unterstützten im Kanton wohnen in der Agglomeration Luzern. Familie: Über 60% der unterstützten Kinder leben mit einem Elternteil (Alleinerziehende). Bildung: Rund 60% der unterstützten Personen im erwerbsfähigen Alter sind ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss (Ausländer 71%). Ausländer/Integration: Rund 41% der Unterstützten sind Ausländer/innen. Womit klar erkennbar wird, wo mit der Armutsbekämpfung angesetzt werden soll.

Die «relative» Armut lässt die Zahlen steigen
Eine neue, internationale Armutsdefinition ist die relative Armut, die bei 50% (OECD) oder 60% (EU) der medianen verfügbaren Äquivalenzeinkommen der Haushalte eines Landes angesetzt ist. 2010 betraf dies gemäss EU 14,2% der erwerbsfähigen Bevölkerung der Schweiz, oder rund 600’000 Personen. Und daraus folgern Schätzungen für die Schweiz von 200’000 bis 280’000 Kindern in Armut. Womit im Rontal je nach Definition zwischen 500 und 1000 Kinder in Armut leben – relativ.

Die subjektive, gefühlte Armut
In modernen Wohlfahrtsstaaten wie der Schweiz ist die Orientierung an einem reinen Überlebens-Existenzminimum nicht mehr angebracht. Armut ist neu zu beschreiben als Unterversorgung und Ungleichheit in wichtigen Lebensbereichen zu einem materiell, kulturell und sozial minimalen Lebensstandard. Diesen als «Armutslücke» für Kinder zu formulieren und anspruchsberechtigt zu machen ist umso schwieriger, als er einerseits stark von der sich verändernden Gesellschafts-, Bildungs- und Arbeitswelt, ebenso aber von Wohnort und den individuellen Vorstellung von Armut und Lebensqualität abhängt.

Kinder fördern und fordern
Am Osterhasen wird es wohl nicht liegen, und mit Geld allein ist – einmal mehr – dem Übel nicht beizukommen. Aber Armut hat ein mindestens gleiches Chancen- und Energiepotenzial wie Reichtum, um eine Kindheit lebenswert zu machen und den Weg in eine ebensolche und sinnvolle Zukunft zu ebnen. Das sollte genutzt werden, um das individuelle Potenzial realistisch einzuschätzen und so zu fördern und zu fordern, dass Kinder an einem Ort der Geborgenheit Wille und Kraft zu Eigeninitiative, Fleiss und Zufriedenheit entfalten können. Vor der materiellen «Bedürfnisbefriedigung» wäre zu klären, ob das Politiker, Lehrer oder Erziehungsberechtigte (Eltern) schaffen. Vermutlich müsste man etliche von diesen nochmals zur Schule schicken, bevor sie «Osterhasen» verteilen.