Europa erlebt gerade einen Moment, in dem digitale Anlagen aus der Nische heraustreten und zu einem festen Bestandteil vieler Portfolios werden. Während in manchen Ländern noch über Sinn und Risiko diskutiert wird, zeigt sich die Schweiz erstaunlich weit vorn. Das Land, bekannt für seine Finanzkultur und klare Regulierung, hat eine Krypto-Landschaft geschaffen, die nicht nur investorenfreundlich ist, sondern auch Raum für Innovation lässt.
Im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn bewegt sich die Schweiz schneller in Richtung breiter Krypto-Adoption. Die Kombination aus regulatorischer Klarheit, starker Finanzinfrastruktur und einer investitionsfreudigen Bevölkerung wirkt wie ein Beschleuniger.
Wie weit die Schweiz bereits ist
Vor wenigen Jahren galten Kryptoanlagen noch als Spielwiese für Technik-Enthusiasten und Risikofreunde. Heute halten rund 11 Prozent der Schweizer Bevölkerung digitale Assets, weitere 6 Prozent haben in der Vergangenheit investiert und ihre Bestände inzwischen aufgelöst. Diese Zahlen sind mehr als nur eine Randnotiz, sie zeigen, dass Krypto im Alltag vieler Menschen angekommen ist.
Das Wissen um Kryptowährungen ist im Land weit verbreitet. Bitcoin kennen fast neun von zehn Personen, Ether immerhin mehr als ein Drittel. Trotzdem dient der Besitz in erster Linie der Anlage, als Zahlungsmittel spielen Bitcoin und Co. bislang nur eine Nebenrolle. Lediglich rund 4 Prozent der Investoren nutzen Krypto aktiv, um Waren oder Dienstleistungen zu bezahlen.
Wer in der Schweiz Kryptowährung kaufen möchte, greift meist zu Plattformen, die längst einen festen Platz in der Finanzwelt haben. Swissquote, Revolut und Binance zählen zu den Favoriten, während klassische Banken wie PostFinance oder andere Institute zwar aufholen, aber noch nicht denselben Marktanteil erreichen.
Europa im Blick
Ein Blick über die Schweizer Grenzen hinaus zeigt, dass sich die Entwicklung nicht auf einzelne Länder beschränkt. Die Bitpanda-Studie „Krypto auf dem Weg in Europas Mainstream“ hat die Lage genauer vermessen und kommt auf beeindruckende Zahlen. In Europa liegen rund 25 Billionen Euro an liquiden Assets, verteilt auf etwa 411 Millionen private und institutionelle Anleger.
Jeder siebte Privatanleger besitzt bereits Kryptowährungen, weitere 12 Prozent planen den Einstieg. Besonders auffällig ist das Verhalten wohlhabender Investoren, denn die Hälfte von ihnen hält Krypto oder beabsichtigt, in naher Zukunft einzusteigen. Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen.
Auch die Beweggründe verschieben sich. 43 Prozent investieren heute strategisch – mit Blick auf langfristiges Wachstum oder zur Diversifikation – statt rein auf schnelle Kursgewinne zu setzen. Etwa ein Drittel der Befragten betrachtet digitale Währungen inzwischen als eigenständige Assetklasse und das Interesse reicht längst über Bitcoin hinaus.
Ganz ohne Bremsen läuft es trotzdem nicht. 47 Prozent geben an, dass ihr Wissen zu diesem Thema begrenzt ist, 42 Prozent empfinden Krypto nach wie vor als riskant. Besonders in Mittel- und Osteuropa sehen die Autoren der Studie jedoch enormes Potenzial. Hier erwarten sie bis 2027 ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 5,8 Prozent – ein klares Zeichen, dass der Trend noch lange nicht ausgereizt ist.
Wer investiert
Die Schweizer Krypto-Landschaft ist nicht gleichmässig verteilt. Männer investieren deutlich häufiger als Frauen, denn rund 26 Prozent der Männer haben aktuell oder in der Vergangenheit investiert, bei Frauen liegt der Wert bei nur 9 Prozent. Auch die Generation spielt eine Rolle. Am aktivsten ist die Generation Y, dicht gefolgt von der Generation Z. Die älteren Jahrgänge bleiben deutlich zurückhaltender.
Das Einkommen wirkt ebenfalls als Katalysator. Bei einem Jahresverdienst von 150.000 Franken oder mehr liegt die Investmentquote bei 22 Prozent. Wer hingegen weniger als 25.000 Franken im Jahr verdient, bringt es nur auf rund 6 Prozent. Trotz dieser Unterschiede setzen die meisten nicht auf grosse Summen, sondern beginnen mit überschaubaren Beträgen, um die Funktionsweise des Marktes auszutesten.
Was die Motivation der Anleger prägt
Die Neugier steht an erster Stelle. 71 Prozent der Investoren geben an, aus Interesse eingestiegen zu sein. Für etwa die Hälfte ist die Aussicht auf Rendite ausschlaggebend, oft in Verbindung mit dem Wunsch nach einer strategischen Beimischung im Portfolio.
Knapp ein Fünftel nennt technologische Affinität oder das Interesse an dezentralen Strukturen als Grund. Die alltägliche Nutzung als Zahlungsmittel bleibt hingegen selten. Der Fokus liegt klar auf der Anlage und dem Potenzial, Wertsteigerungen mitzunehmen oder langfristig zu profitieren.
Die Schweizer Krypto-Branche hat sich von den wilden Anfangsjahren verabschiedet. Aus einem Hype ist eine professionelle, gut integrierte Marktstruktur geworden. Banken bieten inzwischen Produkte an, die digitale Assets mit traditionellen Anlagemöglichkeiten verbinden.
Institutionelle Investoren spielen eine immer grössere Rolle und Themen wie Stablecoins, Tokenisierung und börsengehandelte Produkte auf Krypto-Basis gewinnen an Gewicht. Die Stimmung unter den Marktteilnehmern ist überwiegend positiv. Viele sehen die Branche an einem Punkt, an dem nicht mehr bewiesen werden muss, dass Krypto bleibt, sondern wie es nachhaltig und sicher in den Finanzsektor eingebettet wird.
Regulatorische Klarheit als Standortvorteil
Ein entscheidender Faktor für das Schweizer Krypto-Ökosystem ist die klare gesetzliche Grundlage. Das DLT-Gesetz, das seit 2021 gilt, regelt unter anderem den Handel und die Verwahrung digitaler Vermögenswerte. Die Finanzmarktaufsicht FINMA hat zudem Leitlinien für Stablecoins veröffentlicht, die Anforderungen an Sicherheiten und Geldwäschereiprävention festlegen.
Diese Rahmenbedingungen schaffen Vertrauen, sowohl bei Privatanlegern als auch bei institutionellen Marktteilnehmern. Sie erlauben es, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, ohne in regulatorisches Neuland zu geraten.
Infrastruktur und Akzeptanz im Alltag
Die Schweiz macht es möglich, Krypto nicht nur zu halten, sondern auch zu nutzen. Im Kanton Zug können Steuern in Bitcoin oder Ether bezahlt werden und die Stadt Lugano hat ebenfalls Krypto-Zahlungen für öffentliche Leistungen eingeführt.
Unternehmen wie Bitcoin Suisse gehören zu den Pionieren, die den Handel, die Verwahrung und sogar Zahlungsabwicklungen für Behörden ermöglichen. Swissquote bietet ein breites Portfolio an digitalen Assets und verbindet den Handel mit klassischen Finanzdienstleistungen.
Im Alltag zeigt sich, auch wenn der Kauf eines Kaffees mit Bitcoin noch nicht die Norm ist, steigt die Zahl der Möglichkeiten stetig. Vor allem Fintechs und Neobanken haben den Zugang erleichtert, während klassische Banken langsam, aber stetig aufholen.
Schweiz im europäischen Vergleich
Das Potenzial für weiteres Wachstum ist hoch. Die Tokenisierung realer Vermögenswerte, die zunehmende Zahl regulierter Finanzprodukte und die wachsende Rolle institutioneller Investoren könnten dafür sorgen, dass die Schweiz ihre Position nicht nur hält, sondern weiter ausbaut. Während andere Länder noch darüber diskutieren, wie Krypto in die Wirtschaft passt, nutzt die Schweiz die Gelegenheit, den Markt aktiv mitzugestalten.