Brauchen wir das wirklich?

Letzthin war ich im tiefen Emmental, so gegen halb zehn, also Zeit für einen Kaffee. Ich steuerte eine Beiz an, nennen wir sie Bären, denn hier haben ja fast alle Restaurants einen tierischen Namen. Wie ich bin, sagte ich beim Eintreten «Grüezi mitenand». Am Stammtisch waren sechs Landwirte aus dem Dorf und fachsimpelten, und sonst war niemand da. Kein Mensch hat meinen Gruss erwiedert, aber von unten bis oben haben sie mich gemustert – was sie dachten, konnte ich mir vorstellen. Was will denn der mit der Kleidung und Krawatte hier? In der Nähe habe ich einen Grosskunden, den ich regelmässig besuche. Da kam auch schon die Serviertochter und fragt mich ganz nett, was sie mir bringen kann und ob ich das W-Lan benutzen möchte. Ich bestellte meinen üblichen Espresso und bedankte mich, und teilte Ihr mit, dass ich das W-Lan nicht brauche, da ich beim Znüni-Espresso gerne meine Ruhe habe und eine Zeitung lesen möchte.

Also las ich den regionalen Anzeiger, leider nicht den «rontaler», sondern den «Emmentaler» und genoss meinen Espresso. Mit einem Ohr hörte ich vom Stammtisch, dass sie sich fragten, was denn W-Lan sei? Das ist sicher wieder so ein neumödisches Zeug, da komme man ja sowieso nicht mehr mit, was es heute so gibt, meinte der eine. Ein anderer sagte, dass es ja auch nicht mehr normal sei, dass die Jungen im Dorf nur noch mit dem Telefon herumlaufen, letzthin habe er fast ein Fräulein vercharet. Und ein anderer meinte, ob sie die komischen Leute oben im Dorf auch schon mal angetroffen hätten. Ja, ja, kam es im Chor, das sind doch die Asylanten, Türken seien das oder so, aber noch keiner habe Ihnen mal Grüezi gesagt, dabei können die doch froh sein, wenn sie hier sein dürfen, oder.

Meine Znünipause war zu Ende, ich bezahlte, bedankte mich und stand auf. Ich konnte es nicht unterlassen, dass ich zu den sechs Bauern hinhing und sie ansprach; sie sagten, dass diese Asylanten Ihnen noch nie Grüezi gesagt haben, und warum haben sie meinen Gruss nicht abgenommen, als ich hier herein kam? Ja, das ist so, wenn bei uns einer «gschalet» hier hereinkommt, dann kann es nur ein Städter oder etwas Besseres sein, und da sind wir vorsichtig. Darauf hin meinte ich, also wie bei den Asylanten. «Genau», war die Antwort!

Ich erklärte Ihnen noch schnell, was W-Lan ist und sagte ihnen, dass es schon gut sei, aber dass man es wirklich nicht überall braucht. Ich verabschiedete mich höflich, und siehe da, auch die sechs Bauern. Wir lachten und ich meinte: «Das nächste mal ziehe ich dann die Krawatte aus…»

Simon Bucher