Begehrt, aber mit Risiken verbunden

Stockwerkeigentum als Kapitalanlage

Wegen der niedrigen Zinsen boomt in der Schweiz das Anlegen von Geld in Stockwerkeigentum wie noch nie. Private und kleinere Investoren investieren ihr Vermögen in Eigentumswohnungen. Grundsätzlich spricht nichts gegen Immobilien als Kapitalanlage, ein Goldesel ist es jedoch nicht. Zudem gilt es, vor dem Kauf einiges zu beachten.

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Bevor man als Privatanleger Stockwerkeigentum als Kapitalanlage erwirbt, sollte gut überlegt werden, ob diese Anlagestrategie zu den eigenen Zielen passt. Es empfiehlt sich zudem bereits beim Kauf der Immobilien zu überlegen, ob ein Verkauf zu einem späteren Zeitpunkt wieder möglich ist und welche Konsequenzen damit verbunden sind. Der Anlagehorizont muss auf jeden Fall langfristig geplant werden.

Wichtige Überlegungen vor dem Kauf
Grundsätzlich profitiert man beim Kauf einer Immobilie vom Inflationsschutz und der Wertsicherheit. Die Wertsicherheit kann aber nur gewährleistet werden, wenn vor dem Kauf wichtige Punkte beachtet werden: Neben der Rendite und persönlichen (emotionalen) Aspekten spielt die Lage des Objekts eine sehr wichtige Rolle. Wohnungen in Städten und Agglomerationen vermieten sich grundsätzlich schneller und zu besseren Konditionen. Doch ein «Juwel» an guter Lage hat auch seinen Preis. Nicht nur die Momentsituation muss in Betracht gezogen werden. Wichtig ist, dass bei einem möglichen Kauf der Wohnung die potentiell zukünftige Entwicklung des direkten Umfeldes, so wie die Infrastruktur analysiert wird. Dabei ist auf mögliche Veränderungen zu achten, welche sich negativ auf die Wohnung auswirken könnten: Ist die bestehende Sicht unverbaubar und bleibt das auch so? Entwickelt sich die Attraktivität des Ortes, durch qualitätsvolle Veränderungen – z.B. Schulhausneubau, Einkaufsmöglichkeiten, Ausbau des ÖV usw.? All diese Aspekte können den Wert und die Attraktivität einer Immobilie steigern oder schmälern.

Kleinere Wohnungen sind gefragt
Vor dem Hintergrund des demografischen und gesellschaftlichen Wandels (mehr ältere Menschen, hohe Scheidungsrate, usw.) sind kleine Wohnungen zur Miete mit 2 bis 3 Zimmern sehr gefragt. Das damit verbundene grosse Marktsegment führt zu einer Minimierung der Wahrscheinlichkeit eines längeren Leerstands. Im Weiteren muss der Zustand der Wohnung und des Gebäudes geprüft werden. Gerade bei Altliegenschaften können spontan nur schwer vorhersehbare Renovations- und Sanierungsmassnahmen auftauchen. Es empfiehlt sich, in diesem Fall frühzeitig Fachleute zur Einschätzung beizuziehen. Derlei Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmassnahmen können die Renditeberechnung stark beeinflussen. Ein Erwerb einer Wohnung in einem Neubau ist zwar teurer, dafür ist das Risiko gering, dass in den nächsten Jahren mit grösseren Ausgaben gerechnet werden muss. Zudem erfüllt ein neues Objekt in der Regel höhere Auflagen bezüglich einem massvollen Umgang mit dem Thema Energie. Die oben erwähnten Punkte tragen zur Attraktivität des Objekts bei und erleichtern einen späteren Verkauf.

Aufwände und Pflichten
Beim Kauf von Stockwerkeigentum als Kapitalanlage entstehen Verpflichtungen und Aufwendungen, deren Tragweite im Voraus oft nur schwer eingeschätzt werden können. Oft ist der Grund für einen erhöhten Aufwand ein häufiger Mieterwechsel. Die damit verbundenen möglichen Leerstandskosten und der Aufwand für die Wiedervermietung dürfen nicht unterschätzt werden. Hinzu kommt, dass Mieter die Wohnung oft nicht mit derselben Sorgfalt behandeln, wie wenn der Eigentümer die Wohnung selbst bewohnt. Durch die damit verbundenen Instandhaltungskosten können höherer Unterhaltskosten entstehen. Natürlich kann für die Verwaltung und die damit verbundene Bewirtschaftung der Wohnung auch eine spezialisierte Firma beauftragt werden. Die erhöhte Professionalität in der Bewirtschaftung wird jedoch mit den zusätzlichen Honoraren und einer dadurch reduzierten Rendite erkauft. Zudem ist der Stockwerkeigentümer verpflichtet, einen Teil der gemeinschaftlichen Kosten für Unterhalt und Verwaltung zu tragen. Zusätzlich sind Zahlungen für Nebenkosten und Einlagen für den Erneuerungsfonds zu leisten. An den jährlichen Stockwerkeigentümerversammlungen werden dazu wichtige Entscheide gefällt. Gerade bei älteren Reglementen wird diese Entflechtung der Kosten oft zu wenig Beachtung geschenkt. Dies führt vielfach zu Unstimmigkeiten. Daher empfiehlt es sich, ältere Reglemente vor dem Kauf einer Stockwerkeigentumseinheit genau zu prüfen und im Zweifelsfall einen Juristen, Immobilienspezialisten oder einen Architekten beizuziehen.

Mögliche Rendite / Finanzierung
Damit die Immobile auch die gewünschte Rendite erzielt, muss die Finanzierung gut durchdacht werden. Grundsätzlich soll die erzielte Miete die Kosten für die Zinsen auf dem Fremdkapital als auch die Kosten für den Unterhalt decken. Je weniger Fremdkapital aufgenommen werden muss und je tiefer die Zinsen auf dem aufgenommenen Kapital sind, umso grösser wird die Rendite auf dem eingesetzten Eigenkapital. Diese sogenannte Bruttoanfangsrendite liegt derzeit schweizweit im Schnitt bei rund 3,2%. An Topstandorten können bei tiefem Leerstandsrisiko noch Bruttoanfangsrenditen von 3.5 bis 4.0 % erzielt werden. (*Quelle: UBS Newsletter zum Thema Buy-to-let-Städte im Vergleich, Ausgabe vom 15.06.2016)

Konkret bedeutet das, dass vom Zinsertrag ca. 0.6 bis 1.1% für Aufwendungen wie Unterhalts- und Verwaltungskosten, Rücklagen für Sanierungen des Gebäudes (Erneuerungsfonds) und Rückstellungen für die Wohnung abgezogen werden müssen. Nebst dieser kalkulatorischen Rechnung empfiehlt es sich, zusätzlich ca. 0.2 bis 0.4 % einzuberechnen, um auch einen Anteil eines möglichen Leestandes abzudecken. Die Höhe dieses Betrages orientiert sich stark an der Lage des Objekts und an der Marktsituation. Umso wichtiger ist es, dass bei der Auswahl des Objekts auf die oben erwähnten Attribute geachtet wird.

Hilfreiche Fragestellungen
Vor dem Kauf einer Immobile als Geldanlage sollte man sich im Klaren darüber sein, welche Ziele damit verfolgt werden sollen. Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden können: Soll die Wohnung ausschliesslich als Renditeobjekt gehandelt werden? Beabsichtigt der Käufer oder seine Nachkommen die Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt selber zu bewohnen? Da die Einschätzung einer Immobilie und der damit verbundenen Risiken in den meisten Fällen eine relativ komplexe Herausforderung darstellt, empfiehlt es sich, frühzeitig kompetenten Rat einzuholen, um Fehlentscheide und Fehlinvestitionen zu vermeiden. Immobilien in der Schweiz stellen nach wie vor sichere Kapitalanlagen dar und dienen auch als Gefäss für die Altersvorsorge, wenn die Attribute des Objektes stimmen. Ob sich die Investition in ein Objekt auszahlt, hängt von vielen Faktoren ab.

Sibylle Amrein

Die Autorin ist Inhaberin der S. AMREIN Immobilien in Luzern, www.amrein-immo.ch. Der Artikel entstand im Rahmen des MAS Immobilienmanagement an der Hochschule Luzern.