Auf Entdeckungstour durch Zentralasien

Die Badshahi-Moschee gehört zu den grössten Moscheen der Welt und bietet eine imposant grosse Architektur. | Bilder Elia Saeed

Ab Ostersonntag bis zum 19. April verweilte der Redaktor des Rontalers aus privatem Anlass im Heimatland seines Vaters, Pakistan. Es folgt ein Reisebericht aus der Megastadt Lahore im Nordosten der 1947 gegründeten Islamischen Republik.

esa. Es war mittlerweile etwa sechs Uhr morgens Ortszeit am Ostermontag und das Flugzeug setzt im Landeanflug gerade auf dem Boden der Hauptstadt Pakistans, Islamabad, auf. Durchs Fenster fallen einem gleich die Eigenheiten des Landes auf. Praktisch alle Häuser haben ein flaches Dach und sind rechteckig konzipiert, leicht ähnlich wie die heutigen neu entstehenden Wohnbauten in der Schweiz. Jedoch besitzen die allermeisten Häuser nicht mehr als vier Stöcke. Dazu kommt, dass es praktisch überall etwas Grünes zu sehen gibt. Die Gewächse bieten eine Vielfalt von subtropischen Bäumen und Sträuchern. Mein eigentliches Reiseziel ist aber Lahore, eine Flugstunde südöstlich des politischen Hauptsitzes. In der Multi-Millionen-Stadt war ich zur Hochzeit eines Familienmitgliedes geladen.

Sicherheit wird gross geschrieben
Die Sicherheitsvorkehrungen sind einigermassen streng. Das Gepäck und der Reisegast werden am Flughafen vor dem Check-in selbst nochmals durch gecheckt, genauso wie nach Abnahme des Gepäcks vom Rollband zum Auschecken. Auch sonst sind, teilweise gar hoch bewaffnete, Sicherheitskräfte nicht unbedingt selten zu sehen. Mit dem Sicherheitsaufgebot wird der Eindruck erweckt, als sei jeder Reisegast ein potenzieller Terrorverdächtiger. Doch nach den ersten Gesprächen mit den Einheimischen wird schnell klar, dass die geschürte Angst nicht begründet ist. Zwar unterlag ich dem Irrtum, dass alle Leute in Pakistan Englisch sprechen könnten, doch mit Händen und Füssen kann man schon viel sagen. Die, welche Englisch sprechen können, haben eine entsprechende (Aus-)Bildung genossen. Dies gilt in diesem Teil der Erde als ein hohes Privileg. Dementsprechend sprach ich anfänglich mit dem Flughafenpersonal und Vertretern der Nationalen Sicherheit. Dabei, und bei späteren privaten Gesprächen stellte sich heraus, dass die politische Weltsicht doch klare Unterschiede zum Westen aufweist. Das Vertrauen gegenüber den USA ist längst nicht so selbstverständlich wie in Europa. Am Beispiel anhand des Spalt-Themas «11. September», auch bekannt unter «9/11», sehen viele Pakistani die amerikanische Regierung als Drahtzieher hinter dem Terrorakt und vielen weiteren weltweiten (Völker-)Morden, genauso wie die amerikanische Regierung Pakistan als fundamentale Quelle des Terrors bezeichnet.

Kurioser Verkehr
Um 14 Uhr Ortszeit, in der Schweiz ist wohl gerade 11 Uhr vormittags, landet das Propeller-Flugzeug auf dem Inland-Flughafen Lahore in der Nationalprovinz Punjab. Während der Autofahrt zum Aufenthaltsort fällt sofort der chaotische Verkehr auf. Eine primitive Kutsche mit Esel kommt auf der Gegenfahrbahn daher, zwei Teenager transportieren mit einem Motorrad scheinbar viel zu grosse Lasten und immer wieder sieht man Menschen zu Fuss die Strasse überqueren, sobald sie eine Lücke finden. Das Hup-Signal gilt auf der Strasse als freundliche Ankündigung. Im Gegensatz zur Schweiz, wo es häufig als aggressiver Akt geschieht. Doch sind solche Hinweise auch bitter nötig. Denn die Verkehrsregeln scheinen hier als freundliche Empfehlung zu gelten und nicht unbedingt als bindende Gesetze. Nichtsdestotrotz sehe ich keinen gravierenden Unfall während meines Aufenthaltes. Ich frage meine Begleitung, was denn bei einem Schadensfall im Normalfall hier passiert. In der Schweiz gäbe es nämlich Versicherungen, die einen klaren Tathergang verlangen und die Kosten für sie optimal zu überwälzen versuchen. Daraufhin kriege ich die Antwort: «Aha…Nein, das passiert bei uns nicht. Wir sagen Sorry und fahren weiter.»

Kulturelle Vielfalt
Rechnet man Lahore mit allen Agglomerationsgemeinden zusammen, dann ergibt das eine Stadt von über zehn Millionen Menschen. Bis an den Horizont reichen die Häuser und auf den Strassen ist von morgens bis abends etwas los. Die Geschäfte sind häufig bis Mitternacht oder länger geöffnet und stets sind Velos, Motorräder, Autos, Kutschen, motorisierte Rikschas und sogenannte Qingqi-Taxis (ausgesprochen: Tschingtschi) unterwegs. Die meisten Fahrzeuge sind aus Japan importiert. Eine omnipräsente Gefahr scheint nicht vorhanden zu sein. Überhaupt sind an den Flughäfen und Städten immer wieder Menschen europäischen Ursprungs zu sehen. Einzig auffällig ist die Armut. Egal welche Religionszugehörigkeit, die Armutsschere geht durch alle Kulturschichten immer weiter auseinander. So begegnet man praktisch bei jedem Stopp auf einer Kreuzung Bettlern. Bei der Weiterfahrt fallen jedoch gleich wieder der ständige Handel auf. Überall stehen Geschäfte in kilometerlangen Reihen aneinander. Aus den meist gleich aussehenden Häusermassen stechen die britischen Kirchen, Universitäten oder Gerichtshäuser aus rotem oder weissem Gestein heraus. Doch auch imposante Bauwerke aus den Zeiten des Moguls des 17. Jahrhunderts vermögen zu imponieren. So steht in Lahore eines der bedeutendsten Bauwerke der Islamischen Welt. Die Badshahi-Moschee, welche sogar Ähnlichkeit mit dem in Indien stehenden Palast Taj Mahal aufweist.

Gute Laune trotz Abhängigkeiten
Während des Weiterfluges über Islamabad und am Flughafen fielen mir Dinge auf, dessen Auswirkungen ich erst später realisierte. Aus der Luft sahen die Flüsse arg leer und trocken aus. Im Laufe meines Aufenthaltes zeigte sich, dass diese Mangelerscheinung ihren Teil dazu beitragen, dass das Wasser aus den Leitungen nicht trinkbar ist und daher die Menschen von in Flaschen abgefülltem Wasser, meistens von Nestlé oder Pepsi, abhängig sind. Auch fällt der Strom sehr regelmässig aus, sodass die Haushalte, die es sich leisten können, alle mit einem privaten Generator leben. Angesichts dieser Missstände sollte man meinen, ein «angesäuertes Volk» zu erleben. Das Gegenteil ist der Fall. Viele Menschen in Pakistan sind äusserst offen, warmherzig und einladend. Der Kampf um das Geld ist in ihren Gesichtern gezeichnet, nicht der Kampf der Religionen.

Den Horizont erweitert
Angesichts der massiven neuen Eindrücke war meine Rückkehr von vielen durchmischten Gefühlen begleitet. Mit der Erinnerung an vier (!) wunderschöne Hochzeitstage, viele neue sympathische Menschen, gutes Essen und einer faszinierenden Stadt, kehrte ich in die Schweiz zurück. Dabei blieb der tiefsitzende Eindruck der Dankbarkeit zurück, denn hier ist sogar das Wasser aus der Toilettenspülung trinkbar. Leider lachen die Leute dafür hier viel weniger, was angesichts des Reichtums doch eher wieder verwundert.

Kurzübersicht zu Pakistan
Pakistan (amtlich: Islamische Republik Pakistan) ist ein Staat in Südasien. Er grenzt im Südwesten an den Iran, im Westen an Afghanistan, im Norden an China sowie im Osten an Indien. Der Staat Pakistan entstand 1947 aus den mehrheitlich muslimischen Teilen Britisch-Indiens. 1956 rief sich Pakistan zur ersten Islamischen Republik der Erde aus. Der ehemalige Landesteil Ostpakistan ist seit 1971 als Bangladesch unabhängig. Choudhary Rahmat Ali, der einer der wichtigsten Verfechter der Schaffung eines unabhängigen Muslimstaates auf dem Subkontinent war und als Schöpfer des Landesnamens gilt, gibt dem Namen «Pak(i)stan» am 28. Januar 1933 in seinem Aufsatz «Now or Never (Jetzt oder Nie)» folgende Deutung: Er sollte die Heimat der nordindischen Muslime bezeichnen als Akronym für Punjab, Afghania (das heutige Khyber Pakhtunkhwa), Kaschmir, Sindh und Belutschistan. Dies sind die vier Hauptprovinzen Pakistans, wobei Kaschmir als inoffizielle fünfte Provinz, mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit teilautonom verwaltet wird und sich an der nordöstlichen Grenze zu Indien befindet. Wobei ein Streit um die Vorherrschaft zwischen Pakistan und Indien über Kaschmir stattfindet.. Die Amtssprache ist Englisch, wobei die Bevölkerungsmehrheit die Nationalsprache Urdu spricht. Zu den bedeutendsten Städten zählen die Hauptstadt Islamabad, die Hauptstadt der Provinz Punjab (mehr als die Hälfte aller Pakistani leben in dieser Provinz), Lahore und die Hauptstadt des Handels im Süden an der Küste zum Indischen Ozean, Kara(ts)chi. Als besonders gefährlich, weil im Krieg befindlich, gilt die westliche Stadt Peschawar an der Grenze zu Afghanistan.

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