«Die Türe wird nicht von heute auf morgen zugeschlagen»

Mit seinen 534 Jahren ist der Landgasthof Löwen in Ebikon einer der ältesten Gasthöfe in der Agglomeration Luzern. Nun zeichnet sich ab, dass der traditionsreiche Gastro- und Hotelbetrieb, der seit 1945 in dritter Generation von der Wirtefamilie Fässler geführt wird, in eine neue – heute noch unbestimmte – Zukunft startet.

Die Mitteilung im Kantonsblatt vom 17. August 2013, dass der «Löwen» und die Liegenschaft mit einer Gesamtfläche von 3785 m2 per 1. Juli an die Pax Liegenschaften AG in Meggen verkauft wurde, hat in Ebikon für viel Gesprächsstoff gesorgt und die Bevölkerung in einen kleinen Schock versetzt. Ein schwacher Trost bleibt: Die definitive Übergabe erfolgt erst in gut einem Jahr, am 30. November 2014. Bis zu diesem Termin  führen die heutigen  Besitzer den Betrieb weiter. Viele stellen sich schon jetzt aber die bange Frage: Geht nachher die Ära «Löwen» definitiv zu Ende? Der Rontaler wollte von den jetzigen Besitzern Rosmarie und Robert Fässler wissen, was zu diesem überraschenden Entscheid geführt hat und wie die Zukunftsperspektiven aussehen könnten.

Sicher ist der jetzige Schritt kein «eintägiges Heu». Wie lange beschäftigten Sie sich schon mit dem Gedanken, den «Löwen zu verkaufen oder zu verpachten?
Rosmarie Fässler: Die Zukunftsplanung ist für KMU-Unternehmer eine wichtige und existentielle Frage und wird oft vernachlässigt. So machte ich schon vor einiger Zeit den ersten Schritt. Es ging mir vorrangig um die Frage, welche Möglichkeiten es für den «Löwen» und unsere eigene Perspektiven geben könnte.

Welche Fakten waren dabei entscheidend?
Rosmarie Fässler: Es gab klare Fragen und eine einfache Antwort. Es ging primär um unsere persönliche Zukunft. Mein Bruder Robert (1950) und ich (1953) kommen ins Pensionsalter und wir mussten auch für uns eine Lösung finden: Wie lange möchten und können wir noch arbeiten? Wir haben aber auch langjährige Mitarbeiter, die uns treu verbunden sind. Aus dieser Sicht wäre es schön gewesen, noch einige zusätzliche Jahre gemeinsam im «Löwen» tätig zu sein. Wichtige Kriterien waren auch die möglicherweise anfallenden Investitionen, das zukünftige Konsumverhalten in der Gastronomie, welches momentan eine spürbare Umorientierung erfährt, sowie gesetzliche Auflagen, die den KMUs immer mehr Aufwand und Kosten verursachen.

Zusatzfrage: Wurde neben dem jetzigen Verkauf auch eine Pacht ins Auge gefasst?
Rosmarie Fässler und Robert Fässler: Ja, aber es stand leider schon bald fest, dass es ein Ding der Unmöglichkeit sein würde, einen adäquaten Pächter für unseren arbeitsintensiven Betrieb zu finden.

Warum ein branchenfremder Investor? Gab es keine Interessenten aus dem Gastgewerbe?
Rosmarie Fässler und Robert Fässler: Nein, und eine Gastro-Kette hätte dem «Löwen» auch nicht gerecht werden können. Wir wissen, welchen Stellenwert «unser Löwen» in der Bevölkerung  geniesst. Der berechtigte Wunsch, dass das Restaurant, Hotel und die «Leue-Bar» von einem Gastronomen gekauft und im Sinne eines Landgasthofes weitergeführt wird, hat sich zu unserem grossen Bedauern nicht erfüllt. Wie den unseren, so gibt es in der ganzen Schweiz unzählige schöne Betriebe, welche  Probleme mit der Nachfolgeregelung haben und weder Pächter noch Käufer finden.

Warum wurde die Übergabe auf den 30. November 2014 festgelegt?
Robert Fässler: Mit dem  fixierten Datum haben wir die die Möglichkeit, unseren treuen Stammgästen, aber auch unseren langjährigen Mitarbeitern, nicht die Türe  von heute auf morgen zuschlagen zu müssen. Dieser Gedanke versöhnt und wir hoffen so auf einen dem «Löwen» würdigen Ausklang mit noch vielen schönen Kontakten zu unseren Gästen, die dem Gasthof, uns und unseren Mitarbeitern über so viele Jahre und Generationen treu verbunden waren.

Also ein kleiner Trost: Die vielen treuen Gäste dürfen noch über ein Jahr vom legendären Löwen-Service profitieren?
Rosmarie Fässler/Robert Fässler: Ja, das wünschen wir uns sehr und wir werden uns wie bisher für eine optimale Qualität einsetzen.

Ist es sogar möglich, dass die «Fässlers» noch über dieses Datum hinaus aktiv sind?
Rosmarie Fässler: Ja sicher, aber eher nicht im Gastgewerbe.
Robert Fässler: Ich werde sehen, was Interessantes auf  mich zukommt.

Was haben eigentlich die Stammgäste zu dieser Hiobsbotschaft gesagt?
Rosmarie Fässler: Wir stiessen auf überraschend viel Verständnis für unsere Situation. Einhellig bedauerten die Stammgäste aber, dass mit dem «Löwen» ein einmaliges Stück Ebikoner Gastro-Geschichte zu Ende geht.

Wenn Ihr beide zurückblickt: Welche Ereignisse sind Euch in den 17 Jahren «Löwen» in besonderer Erinnerung geblieben?
Robert Fässler: Das ist eine schwierige Frage… Es gibt so vieles, vor allem viele schöne Begegnungen und unzählige Anekdoten.
Rosmarie Fässler: Ein Buch zu schreiben würde sich vielleicht lohnen!

Wissen Sie schon heute, was nachher mit dem «Löwen» passiert? Wird es möglicherweise weiterhin einen Gastrobetrieb geben?
Rosmarie Fässler /Robert Fässler: Das können wir nur hoffen, aber entscheiden wird dies der neue Besitzer. Wir sind zuversichtlich, dass etwas Gutes entstehen wird.

Habt Ihr einen Wunsch an die Ebikoner Bevölkerung?
Rosmarie Fässler und Robert Fässler: Einen Wunsch…Vielleicht, dass man uns, unsere Mitarbeiter und den «Löwen» in guter Erinnerung behalten wird: Die älteren «Aebiker»  und Gäste aus der ganzen Region, die bei unseren Grosseltern und Eltern zu Gast waren, die «Mittelalterlichen», welche  mit uns älter geworden sind und die «Jungen», die sich in der «Leue-Bar» mit Freunden getroffen und heitere Stunden erlebt haben. Ihnen allen herzlichen Dank für ihre Treue zum «Löwen». Wir sind noch da!

Interview:  Ruedi Schumacher

Zügige Zukunftsplanung
Per 1. Juli 2013 hat  die PAX Liegenschafts AG in Meggen den «Löwen» käuflich erworben. Die im Grundbuch Ebikon eingetragenen Parzellen 74, 76, 77 und 96 umfassen total 3785 m2. Wie Nadine Blättler, Bereichsleiterin Betriebswirtschaft/Administration, PAX-Anlagen AG,Basel, gegenüber dem Rontaler bemerkte, laufen derzeit Gespräche mit der Gemeinde über das weitere Vorgehen. Vorgesehen ist eine Mischnutzung mit Wohn- und Gewerbeflächen. Das Projekt wird mit dem Architekturbüro Schärli Architeken AG, Luzern, ausgearbeitet. Eines ist nach Aussage der Fachleute sicher: Es wird keinen Betonklotz geben, sondern ein «gefreutes» Projekt, welches in die Region passt. Auch noch nicht ganz ausgeschlossen ist, dass – zur Freude der Ebikoner – wieder eine Beiz à la «Löwen» integriert werden könnte. Hinsichtlich der Realisierungstermine konnte Nadine Blättler  noch keine Aussage machen. Die Planung werde zügig vorangetrieben. Der Rontaler wird die Leser zu gegebener Zeit ausführlich informieren.

Eine kleine «Löwen»-Nostalgie
RR. Das Schöne am Wirten ist, dass wir Menschen wirklich «erleben» dürfen. So wurde zum Beispiel bei unseren Eltern ein Taufe-Essen ausgerichtet, nennen wir das Kind mal Ueli. Einige Jahre später kommt die Familie zur Erstkommunion-Feier in den «Löwen» und schon bald trifft man Ueli im Garten einen feinen Coupe geniessen oder mit Kollegen im Restaurant bei einem Jass. Er schaut sich auch mit Freunden die Fussball-EM bei uns auf der Grossleinwand unter den Kastanienbäumen an. Viele junge Leute haben sich im Löwen kennengelernt, in der Gartenwirtschaft, der «Leue-Bar» oder an der legendären «Leue-Bööggete» an der Fasnacht. Und so begegnet auch Ueli im «Löwen» seiner Freundin. Ab jetzt ist Ueli oft im Restaurant oder an einem schönen Sommerabend mit ihr für ein feines Essen unter der Pergola anzutreffen. Dann feiern Uelis Eltern einen runden Geburtstag mit Gästen, Musik und Tanz in einem der Säli. Aber auch nach der Beerdigung von Uelis Grossvater treffen sich Familie und Bekannte im «Löwen» und erzählen von vergangenen Zeiten. Ein paar Jahre vergehen und wir dürfen Ueli und seiner Frau ein schönes Menu zur Hochzeitsfeier im grossen «Löwen»-Saal servieren und so zu einem unvergesslichen Tag beitragen. Es ist nun klar, wie die Geschichte weitergeht: Nicht lange, und Ueli kommt mit seiner Frau zu uns, und sie bestellen ein Taufe-Essen …