Schlichten erspart teures Richten

Der neu gewählte Präsident, Stefan Brunner (links), übergibt Urs Flury die Ehrenurkunde. Bild zVg.

Der Ebikoner Stefan Brunner (SVP) ist neu Präsident des Schweizer Verbands der Friedensrichter und Vermittler

Die Delegiertenversammlung des SVFV fand am 28. April im Appenzellerischen Trogen statt. Neben den Delegierten waren auch Regierungsrat Paul Signer, Kantonsgerichtspräsident Pius Gerber und Gemeindepräsidentin Dorothea Altherr anwesend. An der Versammlung wurde Stefan Brunner aus Ebikon einstimmig zum neuen Verbandspräsidenten gewählt.

ste. Brunner hatte vor seiner Wahl bereits das Präsidentenamt der Friedensrichter im Kanton Luzern bekleidet. Dem scheidenden Präsidenten Urs Flury wurde für seinen langjährigen Einsatz – vor allem im Bereich der gezielten Weiterbildung – unter Applaus der 31 anwesenden Delegierten die Ehrenmitgliedschaftsurkunde überreicht.

«Angesichts steigender Prozesskosten wird unsere volksnahe, günstige und nachhaltige Streitbeilegung immer wichtiger. Denn Schlichten erspart teures Richten!», so der neue Präsident und ausgebildete Theologe in seiner Antrittsrede. Dies trage zur Versöhnung der Parteien bei und verhindere somit die Zerstörung von Privat- und Geschäftsbeziehungen durch einen Prozess vor Gericht. Ausgehend von Niklaus von Flüe dürfe die Schweiz stolz sein auf eine jahrhundertealte Tradition der einvernehmlichen Lösungsfindung. In diesem Zusammenhang seien die Friedensrichter und Vermittler auch heute noch von zentraler Bedeutung. Die Friedensrichter und Vermittler können, mit der vom Gesetz zwingend vorgeschriebenen Schlichtung, schweizweit im Durchschnitt fast zwei Drittel aller Streitigkeiten mit einem Vergleich bereinigen und leisten damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Entlastung der ordentlichen Gerichte.

Der neu gewählte Präsident, Stefan Brunner (links), übergibt Urs Flury die Ehrenurkunde. Bild zVg.

Der Verband der Friedensrichter und Vermittler

Seit mehr als 200 Jahren sind Friedensrichter zuständig für die Vermittlung zwischen Bürgern und Justiz und somit erste Anlaufstelle bei Zivilstreitigkeiten. Sie werden demokratisch gewählt, sind volksnah und lokal verankert. Das ganze Verfahren dauert in der Regel kaum länger als zwei Monate. In einem ersten Vermittlungsgespräch (Sühnverhandlung) wird versucht, die zerstrittenen Parteien auszusöhnen. Dabei wird allen Parteien gegenüber eine neutrale Grundhaltung bewahrt. Eine beim Friedensrichter beziehungsweise Vermittler erarbeitete Lösung ist nachhaltig und hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids.

Vielseitige Aufgaben
Der Schweizerische Verband für Friedensrichter und Vermittler wurde 2004 gegründet. An der Gründungsversammlung waren etwa 30 Friedensrichter und Friedensrichterinnen aus 15 Kantonen anwesend. Sinn und Zweck des Verbandes ist die Förderung der Aus- und Weiterbildung der Mitglieder, Mitwirkung bei Gesetzesänderungen, die die Institution betreffen und die Kontaktpflege zu lokalen, kantonalen Gerichten und zum Bund. Auch der Austausch von wichtigen Informationen, die Pflege der kameradschaftlichen Beziehung untereinander und die vertiefte Zusammenarbeit gehören dazu.

Herr Brunner, wie ist der Schweizer Verband der Friedensrichter und Vermittler organisiert?

Die kantonalen Verbände bestimmen bis zu vier Delegierte, welche an der jährlichen Delegiertensammlung des SVFV teilnehmen. Auch Kantone, die nicht in einem Verband organisiert sind (OW, NW, UR) oder die sich in der Reorganisation befinden (z.B. TI), sind bei uns mittels Einzelmitgliedschaft vertreten. An der Delegiertenversammlung im Frühling stehen jeweils die Themen «Jahresrechnung», «Budget», «Informationen vom Verband» und allenfalls «Wahlen» auf der Traktandenliste. Beim Delegiertenanlass im Herbst stehen eher Erfahrungsaustausch, Kontaktpflege und Kurzinformationen im Vordergrund.

Mussten Sie sich für das Amt bewerben oder wurden Sie vom Verband angefragt, ob Sie diese Aufgabe übernehmen wollen?

Ich wurde vom Vorstand zur Wahl vorgeschlagen und von den Delegierten einstimmig gewählt. Tatsächlich war ich jedoch vom bisherigen Verbandspräsidenten Urs Flury während etwa zwei Jahren dahingehend aufgebaut worden.

Welche Qualitäten bringen Sie mit im Bezug auf das Amt des Verbandspräsidenten?

Da ich bereits viele Jahre auf kantonaler Ebene als Friedensrichter tätig war, sicher die allgemein geforderten Qualitäten wie Verhandlungs-, Schlichtungs-, Fach- sowie Sozialkompetenz. Als ausgebildeter Theologe mit rund 30-jähriger Seelsorgeerfahrung, Mediator und selbstständiger Unternehmensberater mit einem Master of Business Administration kenne ich sowohl die menschlichen als auch die wirtschaftlichen Aspekte und Hintergründe eines Konfliktes gut. Ich sehe mich selber als Brückenbauer und Netzwerker in der Schnittstelle der Kantonalverbände, Mitglieder, Behörden, Gemeinden, Gerichte und Parlamente. Urs Flury war zudem der Meinung, dass ich der richtige Mann für die Umsetzung der eingeleiteten Strategien und Projekte sei.

Worin besteht der Unterschied zu ihrer Tätigkeit als Präsident der Friedensrichter im Kanton Luzern?

Als Präsident des SVFV bin ich gemeinsam mit dem Vorstand die Kontaktperson auf Schweizer Ebene. So sind wir im Gespräch mit Mitgliedern des eidgenössischen Parlaments oder den Regierungsräten. Gemeinsam kümmern wir uns um die Öffentlichkeitsarbeit und betreiben Networking. Die Aus- und Weiterbildung von Friedensrichtern und Vermittlern liegt mir sehr am Herzen. Wir wollen die Professionalisierung vorantreiben und die Öffentlichkeit über unsere Arbeit informieren. Auf Bundesebene werden 60-70 Prozent der Verfahren bereits auf Stufe Friedensrichter beziehungsweise Vermittler abschliessend erledigt. Im Kanton Luzern sind es sogar 82 Prozent!

Interview Stefanie Egli