Ebikon: Asylunterkunft im Löwen läuft reibungslos

Das frühere Hotel «Löwen» in Ebikon wird seit einem Jahr als Asylunterkunft genutzt. Bilder Stefan Jäggi.

EBIKON – Flüchtlingsproblematik, Asyl, Durchsetzungsinitiative: Themen, die auch die Schweiz seit Monaten intensiv beschäftigen. Das frühere Hotel Löwen in Ebikon ist seit einem Jahr belegt mit Flüchtlingen aus aller Herren Länder. Ein Blick nach Ebikon zeigt: Erwähnenswerte Probleme im Zusammenleben mit der Dorfbevölkerung gibt es offenbar nicht.

Der «Löwen» in Ebikon beherbergt seit Anfang 2015 etwa 60 Asylsuchende aus Syrien, Afghanistan, Iran, Türkei, Sri Lanka, Eritrea und dem Kongo. Dabei handelt es sich um Frauen, oftmals mit Kindern, und Ehepaare. Das Altersspektrum der Bewohner bewegt sich zwischendem ersten Lebensjahr bis etwa 70 Jahre, mehrheitlich liegt es jedoch zwischen 20 und 35 Jahren. Von den Durchgangszentren Hirschpark und Sonnenhof werden die Asylsuchenden nach Ebikon verlegt, wo sie dann in der Regel für vier bis zwölf Monate ein vorübergehendes Zuhause finden. Die Beweggründe für eine beschwerliche, oftmals gefährliche und teure Flucht aus der Heimat sind hinlänglich bekannt: Kriege, Militärdiktaturen, Diskriminierung von Minderheiten– zum Beispiel die Religionsfreiheit betreffend. Auch grosse soziale Unsicherheiten und Perspektivlosigkeit aufgrund desolater Wirtschaftssituation zwingen die Asylsuchenden dazu, Heim, Hab und Gut, Familie und Freunde zurück zu lassen und sich auf den Weg in ein fremdes Land zu machen.

 

Asylsuchende auch aus Eritrea haben im «Löwen» vorübergehend ein Zuhause gefunden.
Asylsuchende auch aus Eritrea haben im «Löwen» vorübergehend ein Zuhause gefunden.

 

Die Aufgaben sind vielfältig
Im «Löwen» kümmern sich der Standortverantwortliche, eine Betreuerin, ein Zivildienstler und ein Praktikant um die Asylsuchenden. Für den Nacht- und Wochenenddienst stehen vier Mitarbeitende zur Verfügung. Die Aufgaben in der Asylunterkunft sind vielfältig. Ein- und Ausquartierung der Asylsuchenden, Vorbereitung und Auszahlung der wirtschaftlichen Sozialhilfe, Organisation und Aufrechterhaltung der Hausordnung und Infrastruktur, Anlaufstelle für Gesundheitsprobleme sowie Vernetzung mit Hausärzten, Behörden und vieles mehr. Ausserdem werden die Flüchtlinge über das Leben und das Wohnen, beziehungsweise Sitten und Gepflogenheiten in der Schweiz orientiert und mittels regelmässiger Meetings wird auch das Zusammenleben im Haus optimiert. Schliesslich gibt es da, wo viele Menschen auf engem Raum zusammen leben müssen auch Schwierigkeiten. Traumatisierte Leute, unterschiedliche ethnische Hintergründe, andere Sitten und Gebräuche, sprachliche Missverständnisse oder aber ganz simple Ärgernisse oder Streitereien, wie sie in jeder Wohngemeinschaft vorkommen, können zu Problemen führen, die dann im gemeinsamen Gespräch gelöst werden müssen.

 

Das frühere Hotel «Löwen» in Ebikon wird seit einem Jahr als Asylunterkunft genutzt. Bilder Stefan Jäggi.
Das frühere Hotel «Löwen» in Ebikon wird seit einem Jahr als Asylunterkunft genutzt. Bilder Stefan Jäggi

 

Es herrscht eine gute Atmosphäre
Laut Olivier Bucheli, Standortverantwortlicher der Asylunterkunft, herrsche aber eine gute Hausatmosphäre. Jeder Asylsuchende habe eine Bezugsperson, welche das Gespräch suche und allenfalls auf Fehlverhalten aufmerksam macht und dieses korrigiert. Bei wiederholtem Fehlverhalten kann es auch finanzielle Sanktionen geben, was bei dem eh geringen Betrag an wirtschaftlicher Sozialhilfe durchaus Wirkung zeigt. «Der Löwen ist ein ideales Haus für Familien, Frauen und verletzliche Personen, da zum Teil auch Zimmer mit Dusche und WC vorhanden sind. Dies ist für Mütter mit kleinen Kindern, für ältere Personen oder Menschen mit gesundheitlichen Problemen notwendig», so der Standortverantwortliche. So macht der «Löwen» auch durchaus einen wohnlichen, ja warmen Eindruck, auch wenn die Asylsuchenden auf engem Raum und nah aufeinander leben müssen. Sicherlich kein Hotel oder ein Ferienheim, aber eben auch nicht so kalt und steril wie zum Beispiel eine Zivilschutzanlage. Dies bewirkt sicherlich, dass sich die Bewohner zumindest ein wenig «daheim» und auch willkommen fühlen.

Wichtig ist der Deutschunterricht
Für den Unterhalt des «Löwen» sind primär die Bewohner selber zuständig. Neben der generellen Hausreinigung gibt es vielerlei Ämtchen und Beschäftigungen, sowohl intern wie auch ausser Haus. Kinderbetreuung im Spielzimmer, Unterhalt von Haus und Umgebung, kleine Reparaturarbeiten, Wäscherei, Abfallmanagement, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber auch Tätigkeiten wie Landwirtschaftseinsätze, Waldarbeit, Landschaftspflege sind möglich. Diese Beschäftigungsangebote sind gefragt und werden auch genutzt. Ein ganz wichtiger Teil ist selbstverständlich auch der Deutschunterricht. Früher von freiwilligen Privatpersonen gewährleistet, organisiert nun der Kanton dieses für die Integration der Flüchtlinge massgebliche Instrument.

Der für die Ebikoner Asylunterkunft im «Löwen» verantwortliche Olivier Bucheli.
Der für die Ebikoner Asylunterkunft im «Löwen» verantwortliche Olivier Bucheli.

Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet
Im Vorfeld zur Zwischennutzung des «Löwen» gab es in der Gemeinde einige Bedenken und Befürchtungen, die sich aber allesamt nicht bewahrheitet haben. Seitens der Polizei wird attestiert, dass keine Zunahme von Delikten verzeichnet werden kann, seit der «Löwen» voll besetzt ist. Vereinzelte kleine Schwierigkeiten beruhen in der Regel auf Missverständnissen sprachlicher oder kultureller Art, nicht auf krimineller Energie. Die Asylsuchenden passen sich ihrer neuen Umgebung an, versuchen sich zu integrieren, sind freundlich und oftmals auch dankbar für die Gastfreundschaft in Ebikon. Auch die Anwohner um den «Löwen» äussern sich positiv. Olivier Bucheli und sein Team nehmen die Ebikoner und Ebikonerinnen grossmehrheitlich als tolerant, offen und interessiert wahr. «Einige von ihnen haben schon regen Kontakt mit den Asylsuchenden, andere solidarisieren sich, indem sie etwas spenden.»

Topfgeschichten zum Kennenlernen
Ganz grundsätzlich gilt es Hemmschwellen abzubauen – der gute Wille ist auf beiden Seiten vorhanden. Doch das «Fremde», die kulturellen und sprachlichen Unterschiede stehen einem Aufeinanderzugehen oft im Weg. Diesem «Nebeneinander» statt «Miteinander» setzt der Löwen mit regelmässigen Aktionen etwas entgegen: Alle 14 Tage gibt es die «Topfgeschichten». Da lernen sich Menschen beim Kochen kennen und nach kurzem schon ist das Eis, wenn vielleicht auch nur «mit Hand und Fuss», gebrochen. Am Donnerstag Abend trifft sich jeweils der «Lauftreff» und man geht miteinander joggen. Ebenfalls eine gute Gelegenheit, sich kennen zu lernen. Für einen ersten Kontakt ist nach wie vor das Café Mix ideal. Dort geschlossene Bekanntschaften und Freundschaften können dann auch bei den Anlässen im «Löwen» weiter gepflegt werden.

Kontakt mit der Bevölkerung ist wichtig
Vielen Asylsuchenden ist es sehr wichtig, Kontakte in der Gemeinde und mit der hiesigen Bevölkerung schliessen zu können. Die meisten von ihnen wissen zwar noch nicht, ob oder wie lange sie in der Schweiz bleiben können, aber sie haben angesichts ihrer zum Teil sehr schwierigen Vergangenheit im Heimatland, der Flucht und dem Verlust von Gewohntem und Geliebtem eine sehr optimistische Einstellungen und möchten sich in der Schweiz eine Zukunft aufbauen – abgesehen von denen, die vielleicht darauf hoffen können, dass sich die Situation in ihrem Land zum Besseren wendet und sie zurückkehren können. Wenn Asylsuchende länger im «Löwen» bleiben, werden sie nach einer gewissen Zeit in Wohnungen oder Wohngruppen in den Gemeinden des Kantons Luzern platziert, damit auch wieder Platz für Neuankömmlinge geschaffen wird.

Eine nicht immer ganz einfache Aufgabe
Die Aufgabe der Betreuer im Löwen ist sicherlich nicht immer ganz einfach, aber immer spannend und abwechslungsreich. «Wenn man Menschen in einer schwierigen Lebenslage Hand bieten kann und dann von ihnen ein Lachen, ein fröhliches Gesicht oder vielmals ein Zeichen grosser Dankbarkeit erkennt, dann sind wir glücklich und motiviert, gute Arbeit zu leisten», sagt Olivier Bucheli. Er freut sich, wenn der tägliche Betrieb im «Löwen» rund läuft und ganz besonders, wenn er einen früheren «Klienten» trifft, der mittlerweile gutes Deutsch spricht und einen Job hat. Und an die Bevölkerung in Ebikon spricht Olivier Bucheli, in Namen des ganzen «Löwen», von Herzen ein riesiges Dankeschön aus. Für ihre Sympathie und Solidarität sowie für ihr Verständnis, Menschen in Not in irgendeiner Form zu helfen. Globale Entwicklungen, Flüchtlingszahlen, diverse Bilder aus dem Fernsehen und Politiker mögen uns beängstigen. Doch wer sich vor Ort kundig macht und die betroffenen Menschen und deren Geschichten kennenlernt, weiss eben, dass Mitgefühl und die Fähigkeit zu helfen wichtiger sind, als Statistiken und Gründe, wegzuschauen. Der Blick auf und in den «Löwen» in Ebikon zeigt, dass wir sehr wohl helfen können, ohne dass wir dabei etwas verlieren. Und sei es auch nur die Einsicht, dass wir uns damit mitmenschlich verhalten.

Stefan Jäggi