Sehr geehrter Herr De Weck, geschätzte Chefredaktoren/-innen der Nachrichtensendungen des Schweizer Fernsehens
Die Aufgabe des Mindestkurses durch die Nationalbank hat das Preisgefälle zwischen der Schweiz und dem umliegenden Ausland massiv vergrössert. Ein Teil der Bevölkerung will diese Situation reflexartig zur Schnäppchenjagd nutzen. Das Schweizer Fernsehen berichtet deshalb seit Tagen intensiv über Schweizer Einkaufstouristen und glückliche ausländische Detailhändler. Die Beiträge des Schweizer Fernsehens kommen fast ausnahmslos daher, als wären sie von der Wirtschaftsförderung Baden-Württemberg und Vorarlberg in Auftrag gegeben: konsumorientiert und kritiklos. Die Sonderzüge der SBB und die Extrafahrten der Basler Trams in die schwäbischen Einkaufsparadiese werden förmlich angepriesen. Da das hiesige Gewerbe über die Billag-Gebühr das Fernsehen mitfinanziert, erlauben wir uns die Frage: Kommt diese Berichterstattung dem Auftrag des Service Public angemessen nach? Natürlich sind alle Bürger frei im Entscheid, wo sie ihre Waren einkaufen. Es schmerzt aber, wenn man genau jene Bevölkerungsschichten beim Auslandeinkauf beobachtet, die von einem Stellenabbau in der Schweiz am schnellsten betroffen wären. Umso erstaunlicher ist es, dass das Fernsehen in diesem Fall nicht stärker die wirtschaftlichen Zusammenhänge aufzeigt und zu einem nachhaltigen und sinnvollen Verhalten aufruft. Das hat nichts mit Planwirtschaft oder Staatsgläubigkeit zu tun.
Der Euro-Kurssturz kommt für die Schweizer Wirtschaft einem Erdbeben gleich. Berichtet das Fernsehen über Erdbeben, dann wird auch nicht aufgezeigt, wie man diese Situation ausnutzen kann, um sich zu bereichern. Wohl gemerkt: Wir erwarten nicht, dass das Schweizer Fernsehen eine Sammelaktion für die Wirtschaft organisiert, aber wir erwarten, dass intensiv und gut aufgearbeitet auf die Folgen des Einkaufstourismus eingegangen wird. Das wäre ein grosser Dienst am Publikum. Das entspräche dem vielbeschworenen Service Public, der auch sonst immer herhalten muss, wenn hohe Kosten zu rechtfertigen sind. Die aktuelle Krisensituation stellt für die Schweizer Wirtschaft neben einer enormen Belastung auch eine Chance dar. Genau jetzt können neue Wege geebnet und alte Zöpfe abgeschnitten werden. Die Chefs sind gefordert, neue Konzepte und Strategien zu entwickeln. Gleichzeitig sollten die Mitarbeitenden zusammenstehen und alles Mögliche unternehmen, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Dazu gehört auch ein entsprechendes Einkaufsverhalten. Das Schweizer Fernsehen hätte in dieser Situation eine ganz wichtige Funktion. Es ist enttäuschend, dass diese bisher nicht auftragsgemäss wahrgenommen wurde. Noch ist Zeit, um dies zu ändern.
Gaudenz Zemp, Direktor Gewerbeverband des Kantons Luzern
Roland Vonarburg Zentralpräsident