Ein engagiertes Leben – politisch und sozial

Sabine Wyssbrod  erhält Udligenswiler Kulturpreis

Der Kulturverein Udligenswil verleiht anlässlich der 27. Mitgliederversammlung vom Freitag, 16. März, den Kulturpreis «Felix» an Sabine Wyssbrod. Der Preis wurde zum vierten Mal vergeben und ist eine Ehrung für Personen und Institutionen, die sich um das kulturelle Leben im Einzugsgebiet der Gemeinde Udligenswil verdient gemacht haben.

An einem kalten Winternachmittag läuten wir an der Türe von Sabine Wyssbrod. Eine liebenswürdige und bescheidene Frau bittet uns im sonnendurchfluteten Wohnzimmer am runden Tisch Platz zu nehmen. Schnell sind wir von ihren spannenden Geschichten gefesselt, welche sie humorvoll und mit lebendigen Augen erzählt.

Die engagierte Sabine

1974 zog Sabine Wyssbrod mit ihrem Mann und den beiden kleinen Töchtern nach Udligenswil. Bald fühlte sich die junge Familie wohl in der neuen Umgebung. Bildung und soziale Belange lagen ihr immer am Herzen und so gab die sprachbegabte Sabine Nachhilfeunterricht in Deutsch, Französisch und Englisch. Wohl einige der Schüler schafften dank ihrer Hilfe die Hürde in die Sekundarschule – das war damals keine Selbstverständlichkeit. Sabine Wyssbrod trat auch der katholischen Frauen-und Müttergemeinschaft bei. Bald schon wurde die engagierte Sabine angefragt, das Präsidium zu übernehmen. Als  reformierte Frau lehnte sie jedoch ab. Erst als ein Dreier-Präsidium gebildet wurde, liess sie sich wählen. In diesem Gremium setzte sie sich für einen Kinderhütedienst ein. Das kam bei einigen Alteingesessenen gar nicht gut an, denn die allgemeine Meinung war, dass Mütter für die Kinder da sein sollten. «Abschieben», wenn auch nur für zwei Stunden an einem Nachmittag war damals im ländlichen Udligenswil undenkbar!

Erste Frau im Gemeinderat

1979 standen in Udligenswil Gemeinderatswahlen an. Der Rat wurde von drei auf fünf Mitglieder aufgestockt. Beim ersten Wahlgang verpasste ein Mann die Wahl und es kam zu einem zweiten Wahlgang. Sabine Wyssbrod wurde zur Kandidatur angefragt und erreichte als Parteilose ein Glanzresultat, damals eine kleine Revolution! Als erste Frau im Gemeinderat beendete sie die Männerdominanz und das gerade mal acht Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene. Sabine Wyssbrod übernahm ihr Wunschamt als Sozialvorsteherin und liebte ihre Arbeit. Zu den sozialen Aufgaben der Gemeinde gehörte damals auch der Zahlungsverkehr der Bürgergemeinde, also ein Kassabuch führen. Handschriftlich, wohlbemerkt, denn die EDV wurde erst 1986 in der Gemeinde eingeführt.

Herz für Jugendliche und Senioren

Das grösste Projekt und eines der Hauptanliegen von Sabine Wyssbrod war das Bauen von Betagtenwohnungen in der Gemeinde. «S’ Bächli» wurde ihr Kind. Für die Planung und Realisation engagierte sie sich sehr, kräftig unterstützt vom damaligen Gemeindepräsidenten Harry Kuster. Bereits 1987 wurde das Zentrum eingeweiht. Als Sozialvorsteherin lag ihr aber auch die Jugend am Herzen. Es war nicht zuletzt ihr Verdienst, dass die Jugendlichen das damals leerstehende «Waisenhaus» als Treffpunkt benutzen durften. 1982 stellte der Kanton das Haus unter Denkmalschutz.

Kämpferin für gleiche Rechte

1983 wurde Sabine Wyssbrod in den Grossen Rat gewählt. Dort kämpfte sie u.a. für die gleiche Ausbildung von Mädchen und Buben. Nach drei Jahren Luzern hatte sie genug vom CVP-dominierten Rat und zog sich zurück. Während ihrer Amtszeit im Udligenswiler Gemeinderat wurde auch das Flüchtlingswesen ein Thema. So setzte sie sich trotz Vorbehalten und Widerstand in der Bevölkerung erfolgreich für einen Pavillon ein. Schmunzelnd erzählt sie, wie dann anstelle der erwarteten Kurden dunkelhäutige Tamilen nach Udligenswil zogen.

Friedensstifterin

Nach drei Amtsperioden, bzw. zwölf Jahren als Gemeinderätin, kandidierte sie nicht mehr, setzte sich aber weiterhin für die Senioren ein, organisierte Seniorenausflüge und gab Altersturnen. Auch das «Betreute Wohnen im Bächli» blieb ihr Thema. Im Jahr 2016 war für Sabine  Wyssbrod ein wunderbarer Moment, als sie beim Spatenstich dabei sein durfte. Seit Sommer 2017 können ältere, pflegebedürftige Mitbürger im Dorf bleiben. Von 1994 bis 1997 amtete Sabine Wyssbrod als Friedensrichterin und konnte bestimmt manch gute Lösung für Streitparteien finden.

In einer männerdominierten Welt

Diese sehr intelligente und engagierte Frau hat uns in zwei Stunden tief beeindruckt. Ihre positive Einstellung und das Schmunzeln, wenn sie von den «Kämpfen» in der männerdominierten Politik erzählt, bleiben uns in Erinnerung. Jetzt kann sie wohlverdient das Seniorenleben zusammen mit ihrem Mann Peter geniessen. Und hat immer noch viele Ideen und Träume. Wir sind gespannt was noch kommt. Vielleicht ihre Memoiren?

Gratulation

Wir gratulieren Sabine Wyssbrod herzlich zum Kulturpreis «Felix». Für ihren jahrelangen Einsatz hat sie ihn ausreichend verdient! Und wie könnte es anders sein, sie ist die erste Frau, die ihn entgegennehmen kann…

Rosmarie Zimmermann