Immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund: Wie sollen Volksschule und Berufsbildung damit umgehen?

Ludwig Peyer, Fraktionschef CV

Unsere gut aufgestellte Luzerner Volksschule erbringt eine enorme Bildungs- und Integrationsleistung. Alle Kinder lernen in der obligatorischen Schule nicht nur Rechnen und Schreiben, sondern auch soziales Verhalten und mehr. Zu Recht erwarten wir, dass die Jugendlichen nach der Schulzeit fähig sind, eine Berufslehre, das Gymnasium oder eine andere weiterführende Schule zu absolvieren und ihr Leben selbständig zu meistern. Durch die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen stossen die Schulen aber zunehmend an Grenzen. So müssen sie sich zunehmend mit Kindern beschäftigen, die ihre Schuhe nicht binden können, die unsere Sprache nicht sprechen, die soziales Verhalten nicht kennen oder die ganz einfach überbehütet sind. Was ist zu tun? Wir benötigen Lehrpersonen mit
einem Top-Unterricht. Zudem darf die Messlatte bei allen Schulstufen nicht nach unten nivelliert werden. So müssen unsere Schulen nicht nur integrieren, sondern auch selektionieren – und bereit sein, Grenzen zu setzen. Dabei müssen wir sie unterstützen. Schliesslich sind Investitionen in die Bildung das Beste, was eine Gesellschaft tun kann.
Aber sie müssen auch sinnvoll sein, denn Geld allein macht noch keine gute Bildung.


Andreas Moser, Fraktionschef FDP

Bildung ist ein zentraler Faktor unserer erfolgreichen Gesellschaft. Dabei bietet die Schweiz mit ihrem dualen Bildungssystem den Jugendlichen einzigartige Chancen und Perspektiven. Das duale Bildungssystem kann in Zukunft aber nur funktionieren, wenn zwischen Jugendlichen ohne Migrationshintergrund und jenen mit Migrationshintergrund Chancengleichheit besteht. Im Bereich der Volksschule steigt damit die anspruchsvolle
Aufgabe und Verantwortung der Lehrpersonen, die Integration anhand interkultureller Kompetenzen voranzutreiben und so eine bestmögliche Ausgangslage für alle Jugendlichen zu schaffen. Ein wichtiger Beitrag dazu ist sicher die arbeitsmarktorientierte Deutschförderung. Im Rahmen der Berufsbildung müssen zudem Arbeitgeber bzw. die entsprechenden Entscheidungsträger auf das Thema der Diskriminierung, insbesondere nach der Herkunft, sensibilisiert werden. Dadurch kann das praxisorientierte Bildungssystem weiter gestärkt und dem Fachkräftemangel vorgebeugt werden. In jedem Fall muss aber der Fokus unserer bildungspolitischen Bemühungen stets auf der Stärkung der Eigenverantwortung der Arbeitgeber wie der heutigen Jugend liegen. Ob mit oder ohne
Migrationshintergrund.


Monique Frey, Fraktionschefin Grüne

Volksschule, Berufsbildung und Studium sind Erfolgsfaktoren unserer Volkswirtschaft. Gut ausgebildete Menschen leisten einen wichtigen Beitrag für unser Zusammenleben und den ökonomischen Erfolg. Ein Blick in die Klassenlisten an den Kantonsschulen zeigt es: Der Anteil Kinder mit Migrationshintergrund hat erfreulich zugenommen. Doch weiterhin sind Kinder aus weniger privilegierten Familien untervertreten. Dies ist nicht nur ein Sprachproblem. Volksschule und Berufsfachschule müssen die Kinder beim Lernen so fördern, dass sie nicht nur dann Erfolg haben, wenn die Eltern ihnen helfen können. Mit der schulergänzenden Betreuung, die im Volksschulbildungsgesetz verankert ist und bereits bei Schuleintritt beginnt, hat der Kanton Luzern schon viel erreicht. Denn bei den Jüngsten muss man beginnen. Mit speziellen Kursen sollen alle Kinder und Jugendlichen auch in Sekundar- und Berufsfachschule entsprechend ihren Fähigkeiten unterstützt werden. Damit werden Schwächen ausgebügelt, aber auch Stärken gezielt gefördert. Chancengerechtigkeit kann durch die Arbeit an der Lernlaufbahn erreicht werden. Jeder für unsere Kinder investierte Franken lohnt sich, denn unsere Kinder sind unsere Zukunft.


Michèle Graber, Fraktionschefin Grünliberale

Integration soll die Chancengerechtigkeit erhöhen und für alle Jugendlichen die Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben unseres Landes ermöglichen. In der Berufsbildung sind wir im Kanton Luzern gut aufgestellt. Errungenschaften bei den Brückenangeboten und in der allgemeinen Berufsvorbereitung gilt es zu erhalten. Ein wichtiger Beitrag zur Integration leisten dabei die zweijährigen Attestausbildungen. Bei der frühen Sprachförderung müssen jedoch die Gemeinden stärker in die Pflicht genommen werden. Für das Erlernen einer Sprache auf Arbeitsniveau werden ungefähr sieben Jahre benötigt. Wenn erst im zweiten Kindergartenjahr mit Deutsch-Lernen begonnen wird, benötigen Migrationskinder dafür die ganze Primarschulzeit. Dadurch verpassen viele den
Anschluss. Zudem werden heute in der Volksschule die meisten Kinder ohne Unterstützung bei den Hausaufgaben schulisch abgehängt. Das betrifft vor allem Kinder mit Migrationshintergrund, aus bildungsfernen Familien oder in schwierigen familiären Verhältnissen. Das können wir uns aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nicht länger
leisten. Wir brauchen deshalb flächendeckend Schulen mit Tagesstrukturen und Aufgabenhilfen.


Ylfete Fanaj, Fraktionschefin SP

Die Volksschule begleitet unsere Kinder tagtäglich auf vielfältige Weise in ihrer Entwicklung. Als Einwandererkind bin ich selbst mit neun Jahren ohne ein Wort Deutsch in die Primarschule eingetreten. Nur dank dem grossen Engagement meiner Lehrpersonen und dem Zusatzunterricht in Deutsch habe ich schnell Anschluss gefunden. Die Sprache ist der Schlüssel zur Bildung und damit eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Integration. Kinder mit Migrationshintergrund haben zweifellos schlechtere Startbedingungen. Es ist deshalb enorm wichtig, dass die Gemeinden Anstrengungen unternehmen, damit diese Kinder in Spielgruppen und im freiwilligen Kindergartenjahr früh mit der deutschen Sprache in Kontakt kommen. Spät eingewanderte Jugendliche und unbegleitete minderjährige Geflüchtete, die nach dem 16. Altersjahr in die Schweiz einwandern, bedürfen ebenfalls eines besonderen Augenmerks. Die Brückenangebote des Kantons müssen ausgebaut werden, damit diese Jugendlichen schnell unsere Sprache lernen und gut auf eine Lehre vorbereitet werden. Nur so schaffen sie einen reibungslosen Einstieg ins Berufsleben. Ich bin überzeugt: Solche Investitionen zahlen sich für uns als Gesellschaft aus.


Urs Dickerhof, Fraktionschef SVP

Eine gute Aus- und Weiterbildung ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Dies gilt für Jugendliche mit Migrationshintergrund ebenso wie für alle anderen. Die Volksschule muss die Schüler ungeachtet ihrer Herkunft mit der Kultur und den Traditionen der Schweiz vertraut machen. Sie muss das Grundwissen in Rechtschreibung, Lesen, Rechnen vermitteln. Schulisch schwächere Kinder sind stärker im Handwerk und im Grundwissen zu fördern. So haben sie bessere berufliche Perspektiven. Das Führen von alters- und leistungsdurchmischten Klassen und Lernzyklen über mehrere Jahre sind nicht optimal. In einem Schulsystem, wo der Lehrer nur noch Coach ist und die Schüler ihr Lernen selber organisieren müssen, kommen sowohl die guten wie die schlechten Schüler zu kurz. Nur mit einer Bildungspolitik, die den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Wirtschaft Rechnung trägt, können wir unsere hohe Leistungsfähigkeit bewahren. Attraktive Ausbildungs- und Arbeitsplätze nützen unseren Kindern und unserer Jugend am meisten. Am Staat liegt es, das notwendige (auch steuerliche) Umfeld zu schaffen, damit sich die Arbeitgeber hier niederlassen und wohl fühlen.