2 grosse Geschäfte und 58 Abstimmungen

Das Parlamentsjahr 2015 wurde an der Session des Luzerner Kantonsrates vom 26./27. Januar vom neu gewählten Kantonsratspräsidenten Franz Wüest aus Ettiswil eröffnet. In seiner Eröffnungsrede widmete er sich dem Mittelmass. Dass die Luzernerinnen und Luzerner meist nicht Extreme wählen sondern den Mittelweg gingen, sei für ihn ein Erfolgsgeheimniss. Mittelmass sei nicht abwertend, sondern gerade politisch lohne sich das, denn dort müsse immer wieder der Konsens gefunden werden. Geografisch liege Luzern ja auch in der Mitte. In beiden folgenden Sessionstagen stand dann aber nicht immer der Konsens im Mittelpunkt, sondern in vielen Abstimmungen zeigten sich die politischen Lager klar und deutlich.

«In vielen Voten und Vorstössen machten sich die bevorstehenden Kantonsratswahlen bemerkbar.»

Aktualisiertes Parlamentsrecht

Am Montag widmete sich der Kantonsrat während rund drei Stunden der Aktualisierung des Parlamentsrechtes aus dem Jahre 1975. Im Grundsatz war die Überarbeitung bei allen Fraktionen unbestritten und geht zurück auf verschiedene parlamentarische Vorstösse. Die Abläufe werden klarer geregelt, die Transparenz wird erhöht und insgesamt sollte der Ratsbetrieb effizienter werden. Dies wird von allen begrüsst. Unter anderem dauert das Amtsjahr des Kantonsratspräsidenten neu von Juli bis Juni und nicht mehr entsprechend dem Kalenderjahr. Damit kann die mit dem Budget jeweils ohnehin reich befrachtete Dezembersession von Wahlgeschäften und Feierlichkeiten entlastet werden. Zu Beginn einer neuen Legislatur wird neu neben dem Alterspräsidenten / der Alterspräsidentin auch das jüngste Ratsmitglied eine Rede halten können. Dies wurde von allen Fraktionen als wichtiges Signal an die jüngere Bevölkerung gutgeheissen. Für den politischen Alltag wichtig ist sicher auch, dass dem Regierungsrat für die Bearbeitung der parlamentarischen Vorstösse (Motion, Postulat oder Anfrage) mit 6 bzw. 12 Monaten nun klare Fristen gesetzt sind. Somit kann es nicht mehr vorkommen, dass Vorstösse verzögert werden können. Die elektronische Abstimmungsablage wurde bereits letztes Jahr vorgezogen und nun im neuen Recht definitiv verankert. Im Gesetz enthalten ist nun auch die Möglichkeit, die Ratsdebatten live ins Internet zu übertragen. Dies im Moment als „Kann-„Formulierung, eine definitive Einführung wurde mit 25 zu 89 abgelehnt. Die Einführung eines zentralen Rednerpultes wurde mit 58 zu 54 Stimmen abgelehnt. Bei der Einführung der elektronischen Abstimmungsanlage war bereits einmal darüber abgestimmt worden, seinerzeit wurde es noch mit 58 zu 48 Stimmen abgelehnt, vielleicht wird dann in einer zukünftigen dritten Abstimmung dieser Idee zugestimmt. Politische Prozesse entwickeln sich oft über längere Zeit hinweg.

«Ganz persönlich bin ich der Meinung, dass bei der Übertragung der Ratsdebatten ins Internet eine Chance verpasst wurde, die Arbeit des Kantonsrates einer breiteren und gerade der jüngeren Bevölkerung zugänglich zu machen.»

 Totalrevision des Sozialhilfegesetzes

Das zweite grosse Geschäft in dieser Session war die Totalrevision des Sozialhilfegesetzes nach rund 24 Jahren. Auch hier dauerte die Debatte gut drei Stunden. Während sich zu den erstmals formulierten Wirkungszielen noch alle Parteien positiv äusserten, gab es dann bei den Detailbestimmungen klar unterschiedliche Positionen. Dies zeigte sich auch in der Zahl von 29 Anträgen, die im Kantonsrat gestellt wurden, nachdem bereits in der vorberatenden Kommission für Gesundheit und Soziales intensiv diskutiert worden war. Inhaltlich erhält die Arbeit des sogenannten Sozialinspektors nun eine saubere rechtliche Grundlage, auch wenn keine kantonalen Vorgaben zur fachlichen Qualifikation gemacht werden. Verbessert werden soll auch die Zusammenarbeit unter den verschiedenen involvierten Stellen und die Informations- und Mitwirkungspflicht der Gesuchsstellenden wurde erhöht. Mit deutlicher Mehrheit bestätigte der Kantonsrat, dass für die Berechnung der Sozialhilfe die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) weiterhin wegleitend sein sollen. Noch offen ist die Diskussion über die Kostenteilung der Sozialhilfekosten für Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen nach 10 Jahren Aufenthalt in der Schweiz. Hier gehen die Meinungen und Vorschläge von Regierungsrat, Gemeinden und Kantonsrat noch auseinander. Alle Anträge zu diesem Thema werden in der Kommission Gesundheit und Soziales noch einmal beraten. Somit wird dies erst in der 2. Beratung des Sozialhilfegesetzes im März entschieden.

Alltag im Kantonsrat

Der Alltag im Kantonsrat während einer Session beinhaltet viele verschiedene Facetten. Während bei der Eröffnungsrede von Franz Wüest noch 116 Kantonsräte und Kantonsrätinnen anwesend waren, sank die Präsenz im Saal bei unbestrittenen und weniger wichtigen Abstimmungen auch mal gegen die 90. Generell ist aber die Präsenz im Saal sehr hoch, während der übrigen Zeit trifft man sich zu bilateralen Gesprächen oder einem Meinungsaustausch in der Caféteria des Kantonsrates oder auf dem Gang. Über die Mittagspausen finden auch immer wieder Informationsanlässe für die vorberatenden Kommissionen oder Einladungen verschiedenster Gruppierungen ihren Platz. Gesamthaft fanden 58 einzelne Abstimmungen statt. Die knappsten Resultate gab es bei der Einführung des Fristenstillstandes in der Verwaltungsrechtspflege. Alle vier Detailabstimmungen fielen mit einer bis maximal drei Stimmen Unterschied aus. Hier kann es dann manchmal schon entscheidend sein, dass eine Fraktion möglichst geschlossen anwesend ist. Im Verlaufe der Session wurden auch 24 neue parlamentarische Vorstösse zu ganz unterschiedlichen Themen eingereicht. Zu Vorstössen wird während einer Session fleissig Unterschriften von möglichst vielen Kantonsräten und Kantonsrätinnen gesammelt, damit das politische Anliegen mehr Gewicht erhält. Manchmal geschieht dies aber auch bewusst sehr selektiv oder zurückhaltend, damit ein politisches Thema nicht in eine bestimmte Ecke gedrängt wird. Im Kantonsrat wird zwischendurch bei einem besonders witzigen Votum auch mal gelacht. Dies tut den Debatten immer wieder gut. Während der Session wurden auch zwei neue Mitglieder an das höchste Luzerner Gericht, das Kantonsgericht, gewählt. Das Wahlverfahren läuft noch vollständig mit Handzetteln ab und es wird dann auch von Hand sorgfältig ausgezählt. Wahlen und dann die entsprechenden Vereidigungen sind jeweils kurze, aber immer auch feierliche Momente.

 «Im Kantonsrat ergeben sich immer auch wieder feierliche Momente.»

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Jörg Meyer

Kantonsrat SP, Adligenswil