«Der Amadeus Chor ist kein elitärer Verein»

Agnes Ryser leitet seit 10 Jahren den Amadeus Chor Küssnacht am Rigi

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Agnes Ryser ist seit 2006 musikalische Leiterin und Dirigentin des Amadeus Chors in Küssnacht am Rigi. Daneben leitet die Zürcher Oberländerin seit rund 20 Jahren verschiedene andere Chöre in den Regionen Zürichsee und Einsiedeln.

Der Amadeus Chor Küssnacht am Rigi ist seit über 20 Jahren eine überregionale kulturelle Grösse in Sachen Klassischer Musik und u.a. Preisträger des Schwyzer Kulturpreises. Immer wieder machen auch Musikbegeisterte aus dem Rontal oder der Gegend um Luzern bei den Projekten mit. Mit Agnes Ryser sprach Urs Gisler.

Frau Ryser, erfüllen Sie sich zum 10jährigen Dirigentinnen-Jubiläum einen besonderen musikalischen Wunsch?
Ja, ich fühle ich mich reich beschenkt, weil seit 10 Jahren alle meine musikalischen Wünsche in Erfüllung gehen! Diesmal ist es die barocke Musik von Bach und Vivaldi, gemischt mit dem Zaubertrank von Ola Gjeilo. Bach’s Musik ist das Zentrum, die Sonne des Musikuniversums.

Ihre aktuelle Produktion mit dem Amadeus Chor steht unter dem Motto «Barock mit Würze». Worin besteht die Würze bei diesem Projekt?
Aus dem Stück Ubi Caritas III von Ola Gjeilo. Seine Musik setzt einen ruhenden, meditativen Kontrast zur tänzerisch swingenden Musik von Bach und Vivaldi. Es ist eine wahre Wonne, dieses Stück zu singen.

Sie leiten seit zehn Jahren den Amadeus Chor. Wie kamen Sie zum AmadeusChor nach Küssnacht?
Vor 10 Jahren bekam ich einen Anruf, ob ich mich beim Amadeus Chor vorstellen möchte, die musikalische Leitung sei vakant. Wir lernten uns zuerst  beim Vorstellungsgespräch kennen, dann kam das Probedirigat, und der Funke sprang offenbar.

Welches waren in diesen 10 Jahren Ihre persönlichen Highlights?
Sicher das Stabat Mater von Dvořák und die Höhepunkte von Rossini’s Oper Wilhelm Tell, dann aber auch Mozart’s grosse Messe in c-moll, und, und, und… Das Requiem von Johannes Brahms gilt als etwas vom Anspruchsvollsten für Chöre. Dass der Chor dies im vergangenen Jahr so toll gemeistert hat, zeigt seine Entwicklung.

Wie kamen Sie zur Musik?
Ich habe starke Erinnerung an die Zeit, als meine Mutter mit mir – damals war ich ein Knirps von drei Jahren – täglich sang. Beim Besuch der Zauberflöte als Erstklässlerin wusste ich, Musik ist meine Welt. Diese Intensität, diese Energie hat sich mir ins Herz gebrannt. Danach sang ich die Arien auf den Schallplatten mit und meine Bühne war ein kleiner Lederhocker im Wohnzimmer. Kurz darauf durfte ich mit dem Klavierspiel beginnen.

Sind Sie in einer speziellen Musikrichtung beheimatet?
Beim Interpretieren fühle ich mich am stärksten mit der Klassik verbunden. Sie beinhaltet emotionalen Tiefgang und Komplexität. Zuhause höre ich sehr gerne Jazz und stimmungsvolle Worldmusic.

Wie sehen Sie die Rolle der Dirigentin?
Nach der Analyse vermittle ich zwischen Musik  und Musizierenden. Wie erreichen wir den gewünschten Klang, wie drücken wir die in der Musik versteckten Gefühle aus, wie bringen wir Tiefe ins Geschehen, wie spielen wir mit Spannung und Plastizität? Am Anfang steht Basisarbeit, am Ende das Fokussieren und Leiten des musikalischen Energiestroms….

Sie leiten verschiedene Chöre. Welche musikalische Bandbreite decken Sie da ab?
Von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert. Mit dem AmadeusChor singen wir Messen, Opernchöre, Requien und vieles mehr.

Wie ist es für Sie als Profi mit Laienchören zu arbeiten?
Spannend, bereichernd, im Zentrum der Arbeit stehen Stimme, Atem, Klang. Mitzuerleben, wie die Sängerinnen und Sänger Fortschritte machen und in bestimmten Momenten über sich selber hinauswachsen. Das empfinde ich als pures Glück.

Kann ein Laienchor Ihren Ansprüchen genügen?
Selbstverständlich, ja! Es geht darum, jemandem, der gerne singt, den Zugang zur Musik  zu öffnen und einen gemeinsamen Klangkörper zu bilden. Die Musik hat uns allen etwas zu sagen, und wir wollen herausfinden, was ihre Botschaft ist und diese singend verkörpern.

Klassische Musik hat oft auch mit dem Vorurteil zu kämpfen, etwas Elitäres zu sein. Wie kann sich ein Chor – und erst noch ein Projektchor, der sich quasi jährlich neu formiert  – im ländlichen Gebiet auf so lange Zeit behaupten?
Der Amadeus Chor ist kein elitärer Verein von abgehobenen Musikinteressierten. Jedermann, der gerne singt, ist herzlich willkommen. Am Anfang eines jeden Projektes machen wir deshalb immer eine Schnupperprobe, an der alle Interessierten unverbindlich teilnehmen können.  Jedes Jahr stossen neue Sängerinnen und Sänger zu uns, andere gehen. Der Wechsel ist ein zutiefst natürlicher Prozess, that’s life. Persönlich freue ich mich auch über Sängerinnen und Sänger, die uns über Jahre hinweg treu bleiben. Beide befruchten sich gegenseitig.

In vielen Vereinen hört man das gleiche «Lied» vom fehlenden Nachwuchs. Was investiert der Amadeus Chor in die Nachwuchs-förderung?
Wir haben bereits im Tell-Projekt 2014 den Jugendchor Küssnacht in unsere Konzerte integrieren können, dies wird dieses Jahr auch wieder so sein. Ausserdem arbeiten wir gerne mit jungen Solisten für die Instrumentalstücke zusammen.  Bei uns sind Junge und Junggebliebene willkommen.

Der Amadeus Chor hat lange Zeit mit dem Donau Symphonie-Orchester zusammengearbeitet. Nun gibt es ab und zu Orchesterwechsel. Was sind denn die Gründe dafür?
Wir pflegen mit dem Donau Symphonie-Orchester nach wie vor freundschaftliche Kontakte und schliessen nicht aus, dass sie eines Tages wieder mit uns zusammen spielen. Im Sinne einer grösseren Differenzierung haben wir uns für die Zusammenarbeit mit jeweils auf das Programm spezialisierten Orchestern entschlossen.

Frau Ryser, gibt es den Amadeus Chor in 5 Jahren noch?
Auf jeden Fall!

Der Amadeus Chor hat beim 20-Jahr-Jubiläum Wilhelm Tell von Rossini mit dem Männerchor und dem Jugendkonzertchor Küssnacht zusammen sehr erfolgreich aufgeführt. Darf das Publikum 2019 beim 25jährigen Chor-Jubiläum wieder mit einer Oper rechnen? Können Sie uns schon etwas über die Pläne und das Programm verraten?
Psst, bei dieser Frage bleib ich vorläufig stumm wie ein Papageienfisch!

Gibt es etwas, was Sie sich für die Zukunft wünschen?
Ich wünsche mir weiterhin Neugier, Offenheit und beflügelnde Momente und viele Menschen, die sich wild entschlossen ins Abenteuer «Singen ist genial» stürzen. Bei uns im Amadeus Chor!