Die Neue Schweizer Volksmusik

Auf dem Buch-Cover zu sehen ist die Gruppe «Doppelbock» bei einem Auftritt am Tanz- und Folkvestival in Rudolstadt (D) im 2011.

Die Schweizer Volksmusik erlebt seit mehr als 20 Jahren einen unerwarteten Aufschwung. Mit neuer Lust am spielerischen Umgang mit dem früher von vielen abgelehnten Traditionsmaterial widmen sich zahlreiche Musikerinnen, Musiker, und Veranstalter diesem äusserst vielfältigen Phänomen, das meist unter dem Begriff «Neue Schweizer Volksmusik» zusammengefasst wird.

Ein Phänomen, das aber in Wirklichkeit nur schwer auf einen Nenner zu bringen ist, und dessen Ausprägungen noch lange nicht abgeschlossen sind. In ihrem kürzlich im Zürcher Chronos Verlag erschienenen Buch «Die Neue Volksmusik – Siebzehn Porträts und eine Spurensuche in der Schweiz» versuchen Dieter Ringli und Johannes Rühl eine Annäherung. In siebzehn sorgfältig aufbereiteten Interviews werden die Lebenslinien der bedeutendsten und einflussreichsten Musikerinnen und Musiker der neuen Volksmusikszene nachgezeichnet. Weitere Recherchen und Gespräche im Umfeld erlauben eine profunde Reflexion und Beobachtung überraschender Zusammenhänge. So wird in diesem Buch erstmals umfassend dargestellt, aus welchen Beweggründen sich Musikerinnen und Musiker aller Genres auf einmal so lustvoll, variantenreich und intensiv mit der Erneuerung der traditionellen Musik der Schweiz beschäftigen. Zudem zeigt die Untersuchung, dass das Phänomen sich aus ganz unterschiedlichen kulturhistorischen, politischen und individualbiografischen Quellen speist und bis weit in die 1970er Jahre zurückreicht. Die neue Volksmusik in der Schweiz ist ein Sammelbecken, in dem sich ganz unterschiedliche Individuen in einem äusserst kreativen Dialog begegnen und entfalten.

Ein unerwarteter Boom
Schweizer Volksmusik erlebte in den letzten drei Jahrzehnten einen unerwarteten Boom. Die neue Lust am spielerischen Umgang mit den einst von vielen abgelehnten traditionellen Tönen packte immer mehr Musiker, Veranstalter, Labels, Förderer und nicht zuletzt auch das begeisterte Publikum. Ländlermusik wurde weiterentwickelt, historisch hinterfragt und zum Teil mit Elementen anderer Genres, wie Rock, Folk, Jazz, Klassik oder elektronische Musik angereichert. Musikfestivals wie Alpentöne in Altdorf und Stubete am See in Zürich boten dem neuen Sound eine eigene Bühne. Auch die Hochschule Luzern förderte die Entwicklung mit der Schaffung eines Studiengangs, in dem der Volksmusiknachwuchs eine professionelle Ausbildung geniesst. All diese Neuerungen kamen zum Teil aus der Volksmusik selbst, zum Teil aber auch von aussen. «Viele Musikerinnen und Musiker hatten plötzlich Spass daran, mit dem Traditionsmaterial zu arbeiten und es aus der verstaubten Ecke zu holen», erläutert Wissenschaftler Johannes Rühl von der Hochschule Luzern. Dieses Phänomen werde oft unter dem Begriff «Neue Schweizer Volksmusik» subsummiert, sei aber in Wirklichkeit nur schwer auf einen Nenner zu bringen. «Und diese spannende Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen», so Rühl.

Überraschende Erkenntnisse
Aus diesem Grund haben er und sein Forschungskollege Dieter Ringli die neuen Formen der Volksmusik – mit Fokus auf die deutschsprachige Schweiz – analysiert und ihre Resultate in einer Publikation zusammengefasst. In dem Buch «Die Neue Volksmusik – Siebzehn Porträts und eine Spurensuche in der Schweiz» wird erstmals umfassend dargestellt, was die Beweggründe dafür waren, dass sich Musiker aller Genres in den letzten Jahren so variantenreich mit der Erneuerung der traditionellen Musik der Schweiz beschäftigt haben. Zu Wort kommen dabei auch Persönlichkeiten, die diese Musik besonders intensiv vorangetrieben haben, beispielsweise Domenic Janett, Corin Curschellas, Christian Zehnder, Dani Häusler und Markus Flückiger. Weiter zeigen die Beiträge im Buch auf, dass sich die «Neue Volksmusik» aus ganz unterschiedlichen kulturhistorischen, politischen und individualbiografischen Quellen speiste und bis weit in die 1960er Jahre zurückreicht. «Teils eröffnen sich beim Lesen überraschende Zusammenhänge, wenn der Jazzmusiker Hans Kennel über die sehr frühe Hinwendung zur Volksmusik berichtet, Ländlermusiker Ueli Mooser als wichtigster Inspirator der Neuen Volksmusik ausgemacht wird oder Alphornbläser Balthasar Streiff sein Instrument zunächst in der bildenden Kunst einsetzte», so die beiden Autoren.

Projekt der Hochschule Luzern
Buchautor Dieter Ringli studierte Musikethnologie und Musikwissenschaft in Zürich und promovierte 2003 mit einer Arbeit über die Schweizer Volksmusik. Ringli ist Dozent an der Hochschule Luzern sowie an der Zürcher Hochschule der Künste und selber auch als Musiker tätig. Mitautor Johannes Rühl ist Ethnologe und Soziologe. Seit 2009 hat er die künstlerische Leitung des Musikfestivals Alpentöne in Altdorf inne, er erforscht an der Hochschule Luzern unter anderem die Innovationen in der Volksmusik der Schweiz. Die Publikation entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts der Hochschule Luzern (Institut für Musikpädagogik) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz GVS und dem Haus der Volksmusik Altdorf. Pro Helvetia hat das Buch mit einem finanziellen Beitrag gefördert. Ebenso beteiligt waren das Migros Kulturprozent, das die dem Buch beigelegte CD produzierete, sowie die Ernst Göhner Stiftung und die Dätwyler Stiftung. Die Kantone Uri, Schwyz und Nidwalden haben sich am Zustandekommen des Buches ebenfalls beteiligt. «Die Neue Volksmusik – Siebzehn Porträts und eine Spurensuche in der Schweiz» (ISBN 978-3-0340-1310-9) ist für Fr. 38.– inklusive Audio-CD erhältlich im Schweizer Buchhandel oder direkt bei www.chronos-verlag.ch

Ein überaus kreativer Luzerner Musiker und bekannter Exponent in der «Neuen Schweizer Volksmusik»-Szene ist Albin Brun. Hier spielt er zusammen mit Patricia Dräger und Marc Unternährer anlässlich eines vom Musikkreis (www.musikkreis.ch) veranstalteten Konzerts in der Dorfkirche von Malters. Bild Guido Gallati.
Ein überaus kreativer Luzerner Musiker und bekannter Exponent in der «Neuen Schweizer Volksmusik»-Szene ist Albin Brun. Hier spielt er zusammen mit Patricia Dräger und Marc Unternährer anlässlich eines vom Musikkreis (www.musikkreis.ch) veranstalteten Konzerts in der Dorfkirche von Malters. Bild Guido Gallati.

 

Auf dem Buch-Cover zu sehen ist die Gruppe «Doppelbock» bei einem Auftritt am Tanz- und Folkvestival in Rudolstadt (D) im 2011.
Auf dem Buch-Cover zu sehen ist die Gruppe «Doppelbock» bei einem Auftritt am Tanz- und Folkvestival in Rudolstadt (D) im 2011.