Wenn das Geld nicht reicht…

LUZERN – Tagung zur Familienarmut im Kanton Luzern

Eine Familie zu haben, sollte kein Luxus sein. Doch gerade das wird im Kanton Luzern immer mehr zur Realität. Im Rahmen der Kampagne Familienarmut führte die Caritas Luzern vor kurzem eine Tagung durch, die sich mit dem Thema Familienarmut und den sozialen Folgen auseinandersetzte.

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pd. Die Armut schreit einem ins Gesicht wenn man die Treppen zum ImMaihof hochsteigt. «Ich wünschte, mein Sohn wäre nie in den Chindsgi gekommen.» «Scheisse, meine Tochter ist schon wieder an einen Geburtstag eingeladen.» «Wenn ich Abends im Bett liege, geht der Horror erst richtig los.» Schwarze Buchstaben stehen anklagend auf weissen Plakatwänden. Was hier als Installation in das Thema einführt, ist für viele Menschen im Kanton Luzern Alltag. Rund 8500 Personen erhalten Sozialhilfe. Die Hälfte davon sind Familien. Besonders betroffen sind Alleinerziehende – doppelt so viele beziehen Sozialhilfe wie in Familien mit zwei Elternteilen. 50 Prozent – das steuern viele Alleinerziehende zu ihrem lebensnotwendigen Einkommen bei. Der Rest wird von der Sozialhilfe und durch andere Zuschüsse finanziert. Selbst wenn sie wollten, mehr dazuverdienen geht nicht. Warum? Weil sie sich die KITA oft nicht leisten können, weil Unternehmen zu wenig familienfreundlich sind, weil die Jobs rar sind.

Es geht immer ums Geld – und an die Gesundheit

In den Workshops wird offensichtlich, was auf den Plakaten steht: Die Probleme sind real und nah. An Schulen, in Wohnsiedlungen, am Arbeitsplatz. Die Teilnehmenden schildern Beispiele, die betroffen machen, suchen händeringend nach Antworten auf Fragen: Wo finden sozial Schwache bezahlbaren Wohnraum? Wie begleitet man Jugendliche, die keine Bezugspersonen haben? Was, wenn für die Freizeitgestaltung kein Geld vorhanden ist? Wie fühlt es sich an, seinen Vorgesetzten um einen Vorschuss zu bitten? Es braucht Lösungen, ganzheitliche; ein Zusammenspiel auf gesellschaftlicher und politischer Ebene, da sind sich alle einig. Denn die langfristigen Folgen der Armut sind gravierend: Beziehungsarmut, permanenter psychischer Druck, schlechte schulische Bildung, keine Ausbildung. Für Jugendliche ist der schwierige Start ins Erwerbsleben vorprogrammiert: schlecht bezahlte Aushilfsjobs, Teilzeitstellen – die Spirale dreht weiter.

Das Problem ist lösbar!

«Armut ist real und vielschichtig», ermahnt Thomas Thali, Leiter Caritas Luzern, in seinem Schlussplädoyer. Eine finanzielle Sicherung auf dem Existenzminimum beseitigt die Armut nicht. Der Kanton Luzern zeigt gute Ansätze in Bezug auf die Frühförderung, jedoch fehlt das Grosse Ganze – ein Konzept, das alles zusammenhält. Für Armutsbetroffene müssen gute Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sie die Möglichkeit haben, sich eine Perspektive zu erarbeiten. «Wir sprechen nur noch vom Sparen», erläutert Thomas Thali. Doch auch in der Sozialpolitik braucht es wirtschaftliches Denken. Sparen wird zum Bumerang. Denn, was heute gespart wird, kommt in doppelter und dreifacher Kostenfolge zurück. «Das Problem wäre zu lösen. Das Geld ist vorhanden. Man muss nur mit dem vorhandenen Geld die vorhandenen Probleme lösen», sein Fazit.

Fakten zur Armut im Kanton Luzern

Die Statistik zum Bezug von bedarfsabhängigen Sozialleistungen von 2014 zeigt aber, wie viele Personen staatliche Unterstützung erhielten, weil ihr Einkommen unter dem Existenzminimum lag: 6.35 Prozent, d.h. ungefähr 25’600 Personen, die im Kanton Luzern wohnen, erhielten eine oder mehrere Leistungen. Ergänzend zur AHV wurden 10’668 Personen, ergänzend zur IV wurden 6’076 Personen unterstützt. Die Sozialhilfe unterstützte 8’469 Personen, Mutterschaftsbeihilfe erhielten 675 Personen. Aus Studien ist bekannt, dass viel mehr Menschen arm sind oder unter dem Existenzminimum leben. Eine Studie des Bundes zeigt, dass 60 Prozent der bezugsberechtigten Personen keine Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beziehen. Die Zahl der Armen im Kanton Luzern ist demnach wesentlich höher einzuschätzen.

Die Tagung zur Familienarmut im Kanton Luzern fand am 19. September statt. Sie richtete sich an Behörden, Schulen, Arbeitgeber, Wohnungsverwaltungen Mitarbeitende und Engagierte im kirchlichen Umfeld sowie weitere Interessierte. Referate von und mit Fachpersonen und Diskussionen in fünf Workshops lieferten wichtige und aufrüttelnde Einblicke. Weitere Informationen zum Thema und zur Kampagne unter www.caritas-luzern.ch/nicht-dabei