Reflexion und Ausblick über aktuelle Wasser-Ereignisse

Dank den von der ewl installierten Wasseranschlüssen hatte das Quartier Langensand Matthof bereits nach wenigen Tagen wieder sauberes Wasser in Gehdistanz. Bilder zVg.

Rund zehn Tage lang hatte das Luzerner Quartier Langensand Matthof Anfang August 2022 keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die rund 3’000 betroffenen Menschen mussten das
bakteriell verunreinigte Wasser zum Schutze ihrer Gesundheit entweder abkochen oder sauberes Trinkwasser an einer der fünf Zapfsäulen beziehen, die die Luzerner Wasserversorgerin ewl nach
einigen Tagen im betroffenen Quartier installiert hatte.

Die grosse mediale Aufmerksamkeit und ein zuweilen gereizter Ton in der Berichterstattung haben gezeigt, wie wichtig die oft für selbstverständlich gehaltene, funktionierende Trinkwasserversorgung ist.

Die Luzerner Non-Profit-Organisation WASSER FÜR WASSER (WfW) beschäftigt sich täglich
mit dem Thema Wasser, ob in Sambia, in Mosambik oder in der Schweiz. Nun, da das Wasser wieder in Trinkwasserqualität aus den Hähnen aller Luzerner Haushaltungen, Büros und Praxen fliesst, möchte sie auf einige Punkte hinweisen.

Eine funktionierende Trinkwasserversorgung ist keine Selbstverständlichkeit

Das wichtigste vorab: Eine funktionierende Trinkwasserversorgung ist aus einer globalen
Perspektive keine Selbstverständlichkeit. Weltweit leben über 780 Millionen Menschen ohne
sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Diese Menschen müssen lange Distanzen oder
Wartezeiten auf sich nehmen, um an Trinkwasser zu kommen. Hinzu kommen Risiken der
Wasserqualität oder -quantität. Unter Umständen stammt das Wasser aus einer unsicheren
Quelle, ist verschmutzt, nur in geringen Mengen vorhanden oder teuer. Der grösste Teil dieser 780 Millionen Menschen lebt im südlichen Afrika und im südlichen Asien. Das Problem in diesen Regionen muss nicht mit einer grundsätzlichen Knappheit der Ressource Wasser zu tun haben. In Sambia, zum Beispiel, einem der wasserreichsten Länder Afrikas, gäbe es genügend natürliche Ressourcen zur Deckung des Trinkwasserbedarfs. Diese sind jedoch oft nicht erschlossen. Weil Wasserzugang aber die Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben ist, macht WfW in Sambia und in Mosambik etwas gegen diese wirtschaftliche Wasserknappheit. Mit lokalen Strukturen und nachhaltigen Kollaborationen trägt die Luzerner Non-Profit-Organisation zur langfristigen Verbesserung der Wasser-, Abwasser- und Hygienesituation (WASH) in den ärmsten Quartieren urbaner Räume bei. Für den «Fall Luzern» heisst das: Was für die rund 3’000 Menschen eine temporäre Unannehmlichkeit war, bedeutet für viele Menschen tägliche Realität.

Mehrgenerationenprojekt Trinkwasserversorgung

Die zentrale Wasserversorgung der Haushalte in Luzern geht auf erste Bauten in den 1870er Jahren zurück. Diese dienten vor allem der Feuerbekämpfung und waren aus hygienischer Perspektive höchst problematisch. Erst als um die Jahrhundertwende der Zusammenhang zwischen schlechter Wasserqualität und Krankheiten wie Cholera und Typhus gefunden wurde, trieben die Themen Gesundheit und Hygiene die Entwicklung der
Leitungswasserversorgung voran. In der Nachkriegszeit erreichte die sanitäre Grundversorgung mit sauberem Trinkwasser, dazu gehören Toiletten, Badezimmer und
Duschen, auch den ländlichen Raum flächendeckend. Professionelle Wasserversorgung ist
in der Schweiz ein Mehrgenerationenprojekt und der Zugang zu Trinkwasser war bis in
die Nachkriegszeit auch in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit.

Kontrollen funktionieren, Massnahmen werden getroffen

Heute ist das Luzerner Trinkwassernetz rund 350 Kilometer lang und speist sich aus
Quell-, See- und Grundwasser. Um die höchste Sauberkeit des Wassers sicherzustellen,
beschäftigen sich Wasserversorgerinnen wie die ewl in Luzern vor allem im Bereich der
technologischen und nachhaltigen Weiterentwicklungen der Wasseraufbereitung. Dass die
modernsten Wasseraufbereitungsanlagen nicht vor einer möglichen Wasserverschmutzung
schützen, hat der Fall in Luzern gezeigt. Er hat auch gezeigt, wie schwierig es ist,
herauszufinden, wo genau und wie das verschmutzte Wasser ins Trinkwassernetz gelangen
konnte. Mitte August scheint es ein wahrscheinliches Szenario, dass die Ursache der
Verschmutzung für immer ungeklärt bleiben wird. Immerhin gelang es dank täglich 500
analysierten Wasserproben den Ursprung der Verschmutzung innerhalb von zehn Tagen auf
25 Häuser einzugrenzen. Irgendwo in dieser Strasse, die vorübergehend mit einem
provisorischen Wasseranschluss wieder über sauberes Wasser verfügt, musste die
Verschmutzung ins Wassernetz gelangt sein. Das verdeutlicht, wie komplex eine über
Jahrzehnte gewachsene professionelle Wasserversorgung ist, die sich stetig weiterentwickelt.

Dabei lässt sich festhalten: Leitungswasser in der Schweiz ist ein sicheres, gut
kontrolliertes Gut. Trinkwasserkontrollen funktionieren und bei Problemen werden die
nötigen Massnahmen ergriffen.

Was bringt die Zukunft?

Also: Ende gut, alles gut? Vielerorts, auch in der Zentralschweiz, macht der trockene Sommer 2022 augenscheinlich, dass Trinkwasser eine vulnerable Ressource ist. Die globale
Erwärmung, längere Trockenperioden, steigende Meeresspiegel, versiegelte Böden, die
wachsende Bevölkerungszahl oder die Verschmutzung der Umwelt durch Pestizide oder Mikroplastik: die Liste der Herausforderungen im Bereich des Trinkwassers ist lang und
anspruchsvoll. Damit auch kommenden Generationen natürliches Trinkwasser zur Verfügung steht, muss der Ressource Wasser mehr Sorge getragen werden. Dazu müssen wir unseren Wasserverbrauch reflektieren – und zwar nicht nur den offensichtlichen. Wir alle müssen uns in Zukunft solchen und ähnlichen Fragen stellen:

• Wo kann ich Trinkwasser sparen, wenn es lokal knapp werden sollte?
• Wie viel virtuelles Wasser steckt in meinen Kleidern oder in meinem Essen?
• Kommt dieses virtuelle Wasser aus einer wasserarmen Region?
• Wo landet das Mikroplastik in meinem Duschgel, wenn es den Abfluss
hinunterfliesst?
• Können wir es uns leisten, weiter massenhaft Böden zu versiegeln, durch die kein
Wasser mehr absickern kann?
• Wie können wir die globale Erwärmung minimieren, die den Zugang zu Wasser
verschärft?
• Wie gehen wir mit Nutzungskonflikten zwischen beispielsweise landwirtschaftlicher
oder industrieller Wassernutzung und der langfristigen Trinkwassersicherung um?
• Und wie können wir einen fairen Zugang zu Wasser aus einer globalen Perspektive
sicherstellen?

WfW macht weiter – es braucht die ganze Gesellschaft

Im WfW-Büro an der Neustadtstrasse in Luzern sieht man sich darin bestärkt, den
eingeschlagenen Weg intensiv weiterzuverfolgen. WfW setzt sich mit Verve für einen
klimafreundlichen Umgang und den Schutz der Ressource Wasser ein, beteiligt sich beherzt am Aufbau, am Erhalt und an der Entwicklung fairer und professionell geführter Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung in Sambia und in Mosambik und engagiert sich als Mitlernende Organisation im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung, wo sie Werte und Kompetenzen rund um die Ressource Wasser fördert, die dazu befähigen, eine
nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft mitzugestalten. Gemeinsam mit ihren Partner*innen sucht WfW die Stimme des Wassers. Denn damit auch kommende Generationen in den Genuss von natürlichem, feinstem und gesundem Trinkwasser kommen können, braucht es uns alle. pd 


 

Virtuelles Trinkwasser

Unter virtuellem Trinkwasser ist jenes Wasser zu verstehen, das zur Erzeugung eines Produkts aufgewendet wird. Damit ist die gesamte Wassermenge gemeint, die benötigt wird, ehe ein bestimmtes Produkt beim Verbraucher ankommt. Zum Beispiel auch die Wassermenge, die zur Bewässerung der Futterpflanzen für tierische Produkte anfallen. Einige Beispiele:
• 1 kg Baumwolle = 10’000 l Wasser
• 1 kg Rindfleisch = 15’400 l Wasser
• 1 Computer = 20’000 l Wasser
• 1 l Flaschenwasser = 4 l Wasser
• 1 Tasse Kaffee = 130 Liter Wasser

WASSER FÜR WASSER (WfW) setzt sich für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser ein.