Bellinzona – eine vor Ort erlebte Geschichtsstunde

Bellinzona sei die Schweizer Stadt mit der meisten Italianità, versicherte die Stadtführerin den 17 mitgereisten Naturfreunden. Und das war nicht zu übersehen.

Auf der von der letzten Eiszeit geformten Gneishügel steht unverkennbar die mächtige und älteste Burg, das Castellgrande, an den Bergflanken die Wehranlagen Castello die Sasso Corbara und Montebello. Seit 2000 zählen die Tre Castelli zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Wechselvolles Mittelalter…

Die Aussicht vom Burghügel ist einmalig und erklärt, warum die Kelten und die Römer hier schon ihre Wehranlagen erbauten. Nach Süden hin schweift der Blick zum Lago Maggiore. Auf dem Fluss Ticino und auf dem über 64 Kilometer „Langen-See“ erreichten die Schiffe der Mailänder Herzöge Bellinzona bis fast an die Stadtmauer. Die Festungsmauern mit den schwalbenschwanzartigen Zinnen, die reich verzierten Patrizierhäuser und Paläste, liessen den Mailänder-Reichtum im Mittelalter erkennen. Nach Norden hin waren die Täler ins Misox zum San Bernardino und zum Lukmanier- und Gotthardpass gut sichtbar, und wer hier regierte, kontrollierte den Warenverkehr aus den deutschen und österreichischen Kaiserreichen in die italienischen Herzogtümer und Königreiche. Viele Fragen wurden der Reiseleiterin gestellt und so manch einer und eine erinnerten sich wieder an die Geschichtsstunden in der Schule.

… und die späte Tessiner Freiheit

Aufgrund der strategisch wichtigen Lage stritten sich die Mailänder Herzöge mit den Eidgenossen um die Vorherrschaft, bis schliesslich 1516 die Eidgenossen das Tessin zum abwechselnd, gemeinsam regierten Untertanenland machten. Erst 1803, in der „Acte de Médiation“ schenkte Napoléon Bonaparte den Tessinern die eidgenössische Gleichberechtigung. So wurde Bellinzona zur Kantonshaupt- und Verwaltungsstadt, und grosse Industriebauten blieben glücklicherweise die Ausnahme.

Nach so viel Wissenswertem musste der leibliche Hunger gestillt werden. So endete der letzte Ausflug im Jahresprogramm der Naturfreunde Oberfreiamt sinngemäss im Ristorante „Croce Federale“.

Text: Hans Kaufmann
Bilder: Jens Howoldt