Krise? Welche Krise?

Finanzratgeber

Im vergangenen Jahr gaben mir drei Themen immer wieder zu denken:

1. Dass die Schweizerische Nationalbank SNB die Anbindung des Frankens an den Euro plötzlich aufgehoben hatte.

2. Dass Europas Politiker Griechenland nicht bankrott haben gehen lassen.

Das 3. Thema ist seit einiger Zeit die Monetarisierung von Staatsschulden.

Es ist nämlich bemerkenswert, dass sich Europa bereits vor 2 bis 3 Jahren gefragt hat, ob sich die Europäische Zentralbank EZB stärker in die Euro-Rettung einschalten soll?

Viele Experten hatten das gefordert. Und viele Experten lehnten dies ab.

Es gab und gibt Stimmen, die warnen ausdrücklich davor, dass der EZB eine aktivere Rolle bei der Lösung der Schuldenkrise aufgebürdet wird.

«Das wäre der Anfang vom Ende vom Euro», haben viele Stimmen bereits vor Jahren gesagt. Und zwar mit der Begründung, dass die «Monetarisierung von Staatsschulden» in der Geschichte des Geldes immer zu Hyperinflationen geführt hat.

Es wird gesagt, dass dies am Ende zur Enteignung von Sparvermögen und zum Totalitarismus führen werde.

Politische Forderungen, etwa aus dem angelsächsischen Raum, wollen, dass die EZB ähnlich wie die US-Notenbank FED Geld drucken soll, um den angeschlagenen Euro-Staaten zu helfen.

Das Modell von einer unabhängigen Notenbank, die sich ausschliesslich an der Geldwert-Stabilität orientiert, habe sich bewährt, sagen viele Experten.

Wir wissen, dass die expansive Geldpolitik von der amerikanischen Notenbank bekanntlich den Grundstein für die Subprime-Krise gelegt hat und auch die jetzige Geldpolitik vom FED erweckt den Eindruck, als ob sie die Probleme nicht lösen, sondern in die Zukunft verlagern wird.

Ich meine, dass finanzpolitische Probleme finanzpolitisch und wirtschaftspolitische  wirtschaftpolitisch gelöst werden sollten. Und nicht über die Geldpolitik.

Viele Experten und Politiker fordern, dass die EZB angesichts der schweren Schuldenkrise zumindest teilweise zum Staatsfinanzierer wird. Dies ist der EZB aber nach den Statuten gar nicht erlaubt. – Es wird trotzdem gemacht.

Unter Monetarisierung versteht man in der Wirtschaft allgemein den Vorgang, bei dem einer Sache, einer Tätigkeit oder einer Begebenheit ein Geldwert zugemessen wird.

Es können z.B. folgende Phänomene gemeint sein:

• Der Versuch, für Leistungen, für die vormals keine Gegenleistungen erbracht worden sind, Geld zu verlangen,

• die Zuordnung von Geldwerten (z.B. Zahlungsbereitschaften) zu Nicht-Sachwerten,

• oder der Aufkauf bzw. Rückkauf von Schuldpapieren durch die Zentralbank vom dem Staat, der sie herausgegeben hat.

Die wörtliche Bedeutung vom Wort Monetarisierung lässt sich mit «Vergeldlichung» oder mit «Umwandlung in Geld» definieren.

Schliesslich redet man von «Monetarisierung der Staatsschulden», wenn die Staats-Schulden durch die jeweilige Zentralbank aufgekauft werden – also «in Geld verwandelt werden». Dies wird in bestimmten Situationen als Beschönigung der Lage angeschaut und wird darum zum Teil heftig kritisiert. Erfolgt die Monetarisierung dauerhaft, kann sie den faktischen Bankrott des betroffenen Staates verschleiern (verschleierter Staatsbankrott). Das ist der Fall, wenn der Staat seine Verbindlichkeiten zwar nominell bedient, das jedoch faktisch nur mit entwertetem Geld erreichen kann.

Bei der dauerhaften Monetarisierung betreibt die Zentralbank eine expansive Geldpolitik durch den Aufkauf von Staatsanleihen. Dieses Vorgehen unterscheidet sich im Extremfall kaum davon, den Staatshaushalt direkt durch die Ausgabe von Geld durch die Zentralbank zu decken («Geld drucken»). Faktisch wird die Geldmenge im Vergleich zur vorhandenen Gütermenge aufgebläht, d.h. das Geld der Bürger wird durch Inflation entwertet.

In Extremfällen folgt nach einer Monetarisierung mit Hyperinflation und verschleiertem Staatsbankrott eine Währungsreform.

Weil eine in Gang gebrachte Inflationsspirale für viele Bürger und die Wirtschaft in der Regel mit extremen Kosten verbunden ist, ist in vielen Staaten der Einfluss der Regierungen auf die Zentralbank stark eingeschränkt oder die Monetarisierung ist sogar verboten.

Gemäss McKinsey haben sich die Schulden von Staaten, Unternehmen und Privaten seit dem Jahr 2000 von 87 auf 199 Billionen Dollar erhöht.

Die Rede ist von einer Schulden-Krise. Der Duden definiert Krise als «schwierige Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt».

Eine Krise beinhaltet also eine zeitliche Komponente, d.h. dass die «schwierige Zeit» irgendwann wieder vorbei sein sollte. Für die Schulden gilt das kaum: Sie werden  künftig noch schneller wachsen als bis jetzt.

Weil aber die Erträge von diesen Neu-Schulden aufgrund der tiefen Zinsen immer kleiner werden, sorgen sie für wenig bis kein Wachstum. Natürliches Wachstum, um diese Schulden abzubauen, bleibt erst recht aus.

Das ist keine Krise, sondern eine Katastrophe. Die Schuldensituation wird nicht einfach wieder gut, sondern verlangt nach sofortigen und drastischen Massnahmen: McKinsey schlägt Effizienzsteigerungen vor, allenfalls sogar die Monetarisierung von Staatsschulden – mit den erwähnten Risiken.

Weniger riskant wären höhere Vermögenssteuern oder eine einmalige Vermögensabgabe, wie sie der Internationale Währungsfonds IWF auch schon gefordert hat. Die OECD wiederum fordert spezielle Abteilungen für Reiche, um sie angemessen besteuern zu können.

Von all dem will die Politik aber nichts wissen – und redet weiterhin von einer Krise.

Nicht ohne Grund: Eine Krise kann man beschönigen und verschleiern – und zuletzt seinem politischen Nachfolger vererben. Oder dem Nachfolger des Nachfolgers. Denn – Einer kommt immer.

Urs Petermann Vorsitzender der Bankleitung
Urs Petermann
Vorsitzender der Bankleitung

 

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