Drei Studentinnen lancieren Integrationsprojekt

Die angehenden Sozialarbeiterinnen Pascale Grossenbacher, Selina Frey und Sabrina Seeholzer. Bild Stefan Jäggi

EBIKON – Die Asylunterkunft im Löwen hat Fuss gefasst. Die Organisation funktioniert, nennenswerte Beschwerden bleiben aus. Nach der Akzeptanz in der Bevölkerung soll nun mehr Integration erfolgen.

Die angehenden Sozialarbeiterinnen Pascale Grossenbacher, Selina Frey und Sabrina Seeholzer. Bild Stefan Jäggi
Die angehenden Sozialarbeiterinnen Pascale Grossenbacher, Selina Frey und Sabrina Seeholzer. Bild Stefan Jäggi

Im Rahmen eines Projektes der Hochschule Luzern hat sich ein Team von drei Studentinnen zusammengefunden, welches im Auftrag des Asylzentrums «Löwen» in Ebikon ein Projekt zur frühen Förderung von asylsuchenden Familien lanciert.

Pascale Grossenbacher, Selina Frey und Sabrina Seeholzer, drei junge, motivierte, interessierte Frauen, sahen sich im Rahmen ihrer Ausbildung zur Sozialarbeiterin mit der Aufgabe konfrontiert, ein praktisches und wenn möglich nachhaltiges Projekt im Bereich der Sozialarbeit auf die Beine zu stellen.

Stoff für Diskussionen
Die Problematik «Flüchtlinge, Asyl, Migration, Integration» ist mittlerweile – vor allem auch in den Medien – allgegenwärtig. Und nicht nur Ballungszentren beschäftigen sich intensiv mit dem Thema, auch in Agglomerationen und Dörfern bietet das Thema viel Stoff für Diskussionen, Konzepte und oftmals leider auch für Vorurteile und populistische Parolen.

Als Flüchtling oftmals unerwünscht
Der «Fall» Löwen in Ebikon verdeutlicht exemplarisch, wo die eigentlichen Probleme liegen. Nein, seit rund 60 Asylanten in den Löwen eingezogen sind hat sich die Kriminalitätsrate im Dorf nicht erhöht. In Ebikon trifft man nicht auf religiös fanatisierte Hassprediger, angehende Terroristen oder einen frauenverachtenden Mob junger Männer dunkler Hautfarbe. Vielmehr sind es Menschen, zumeist Familien, die zum Teil Schreckliches erlebt haben und unter grossen Opfern und Gefahren ihr Heimatland und alles, was ihnen lieb und teuer war, einschliesslich Familie und Freunde, hinter sich gelassen haben. Um in einem fremden Land, mit fremder Kultur und fremder Sprache – als «Flüchtling» sowieso von vornherein stigmatisiert und oftmals unerwünscht – eine bessere, vor allem sicherere Zukunft für sich und die Kinder zu suchen.

Leben auf engstem Raum
Wer sich auch nur ein wenig für das Thema und die betroffenen Menschen interessiert, vielleicht sogar auch schon mal im «Löwen» zu Besuch war, der weiss, dass diese Menschen nicht im Luxus leben. Familien aus verschiedensten Kulturen leben auf engstem Raume miteinander, die finanziellen Zuwendungen pro Person und Tag belaufen sich auf ein absolutes Minimum und die Regeln für das Zusammenleben sind strikt, Verstösse können sanktioniert werden. Summa summarum: Diese Lebensbedingungen wären für einen «freien Schweizer Bürger» weder erstrebenswert noch akzeptabel. Doch diese Menschen fügen sich ihrem Schicksal, ohne aufzubegehren, akzeptieren unsere Regeln, unsere für sie oftmals unverständliche Bürokratie – weil sie Hoffnung haben. Das einzige, was den Flüchtlingen tatsächlich zu schaffen macht, ist die Ungewissheit: Kann ich bleiben? Werde ich zurück geschickt? Wo werde ich leben? Bekomme ich einen Job, eine Ausbildung? Haben meine Kinder hier eine Zukunft? Sehe ich meine Familie und meine Freunde wieder?

Beschränkte Mittel
Keine Frage: Das engagierte Team im Löwen gibt sein Bestes. Und so ist das Klima im Asylzentrum auch sehr freundlich und familiär (wie unsere Zeitung bereits berichtete). Doch die eingeschränkten Ressourcen führen natürlich dazu, dass primär das «Tagesgeschäft» reibungslos läuft. Zwar gab und gibt es durchaus lobenswerte Bemühungen in Sachen Integration, Deutschkurse zum Beispiel, Anlässe und Treffen mit der Bevölkerung, aber der Fokus der Behörden liegt eindeutig woanders. Nicht weil der Wille fehlt, sondern aufgrund mangelnder personeller und finanzieller Mittel.

Eine Zukunft aufbauen
Und da kommen nun unsere drei Studentinnen ins Spiel. Der «Löwen» hat sich als Asylzentrum etabliert, unbegründete Ängste und Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Man nimmt in Ebikon die Flüchtlinge wahr, sei es im Laden, im Bus oder auf dem Trottoir. Im besten Fall grüsst man sich gegenseitig. Aber schliesslich und endlich lebt man mehr nebeneinander als miteinander. Und genau das möchten Sabrina Seeholzer, Selina Frey und Pascale Grossenbacher ändern. In erster Linie gilt dies natürlich für die Flüchtlingskinder. Sie sind es – zumindest teilweise – die ihre Zukunft in der Schweiz aufbauen, vielleicht sogar zu Schweizern werden und hier eigene Familien gründen.

Wertschätzen, was man nicht kennt?
Es gilt aber selbstverständlich auch für uns Schweizer. Wie soll man akzeptieren, ja sogar wertschätzen, was man nicht kennt? Denn nicht nur gelungene Integration erfordert einen beidseitigen Beitrag, Schwellenängste sind sowohl bei Asylbewerbern wie auch bei Einheimischen vorhanden. Die Flüchtlinge sind der Sprache nicht mächtig, sehen sich einer fremden Kultur mit fremden Gewohnheiten, Gesetzen  und Bräuchen ausgesetzt. Obwohl die Schweiz durchaus multikultureller geworden ist, sticht das Fremde nach wie vor heraus und ist leicht erkennbar. Und so ist es nachvollziehbar, dass die Gäste im Löwen – zum einen dankbar, hier sein zu dürfen und mit der Absicht, ja nichts falsch zu machen, nur nicht negativ aufzufallen, zum anderen mit dem Etikett «Bittsteller» versehen, unsicher, verängstigt oftmals auch traumatisiert – sich ein wenig unter Ihresgleichen einigeln, gar scheu sind.

Konflikte statt Gemeinsamkeiten
Aber auch bei uns Einheimischen gibt es Hemmschwellen. Zunächst natürlich die Sprachbarriere. Schon sie alleine bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten, auf die Flüchtlinge zuzugehen. Dazu kommen die kulturellen Unterschiede, oftmals auch Klischees und Vorurteile. Zwar leben wir in einem Land, wo mittlerweile die meisten Menschen schon weit gereist sind und andere Kulturen vor Ort in den Ferien kennen lernen durften. Doch wir sind halt nicht New York, London oder Paris, bei uns fallen Menschen mit anderer Hautfarbe und anderem ethnischen Hintergrund noch immer auf. Und obwohl das Internet und die Medien durchaus mitgeholfen haben, unseren Horizont in Sachen «Fremdes» zu erweitern, sind es genau auch diese Plattformen, die uns täglich mit Terrormeldungen und Angstszenarien bombardieren und oftmals, da halt interessanter, Konflikte statt Gemeinsamkeiten thematisieren.

Projekt «Frühe Förderung von Familien»
Mit dem Projekt «Frühe Förderung von Familien im Asylzentrum Ebikon» wird beabsichtigt, den «Löwen» und seine Bewohner besser in die Gemeinde zu integrieren. Laut dem Projektteam ist Vernetzung das A und O für eine gelungene Integration. Durch Vernetzung können Brücken geschaffen und die Distanz zwischen den verschiedenen Kulturen überwunden werden. Die drei engagierten Initiantinnen suchen daher motivierte Vereine, Clubs, Schulen, Familien, Einzelpersonen etc. Die sich an einer aktiven und regelmässigen Zusammenarbeit beteiligen möchten. Gemeinsam mit den asylsuchenden Personen Sport treiben, malen, kochen, Spiele machen – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Anfragen oder Vorschläge interessierter Menschen oder Institutionen werden gerne entgegengenommen (Kontakt siehe unten). Schon bislang haben sich neben den motivierten Mitarbeitern im «Löwen» auch engagierte Privatpersonen und freiwillige Helfer engagiert. Das Projekt «Frühe Förderung von Familien im Asylzentrum Ebikon» steht mittlerweile mit mehreren Interessenten in Ebikon in Kontakt. Doch für einen nachhaltigen Erfolg braucht es mehr.

Alle können profitieren
Um es klar zu stellen: Es geht hier nicht um «Almosen», um Gutes zu tun, ein wenig Freizeit zu opfern, ein wenig Freiwilligenarbeit zu leisten für eine sinnvolle Sache, ein wenig abgeben vom eigenen Glück – all dies tun viele Bürgerinnen und Bürger schon heute. Sie alle wissen, dass «Geben» an sich alleine schon belohnend ist. Es geht darum, das Zusammenleben innerhalb des Gemeinwesens für alle zu verbessern, das «Miteinander» zu fördern, statt das «Nebeneinander» zu verwalten. Denn am Ende werden wir alle davon profitieren. Nicht nur ein paar Flüchtlinge, sondern das Dorf, die Region, die Schweiz. Im Kleinen das tun, was sinnvoll und möglich ist, das ist in allen Bereichen immer richtig. Egal welche Schlagzeilen national oder international gerade die Medien beherrschen. Oder was diese oder jene Partei gerade propagiert. Und genau diese kleine, zugegeben  einfache Weisheit praktizieren die drei Studentinnen von der Hochschule Luzern mit ihrem Projekt auf vorbildliche Weise. Es wäre ein hoffnungsvolles Zeichen, wenn die Einsatzfreude dieser jungen Menschen auf eine breite Unterstützung in Ebikon zählen darf. Kontaktaufnahme via projekt-aze@hotmail.com

Stefan Jäggi