
Wo ist Walter? Heisst es in bekannten Such- oder Wimmelbildern. Jetzt hiess es: Wo ist Nicolai?» Gefunden wurde der 12-jährige Nicolai Perkmann auf der Bühne des Luzerner Theater. «Wir haben unseren Theaterkids-Schauspieler ans Theater ausgeliehen, er debütierte als Walter in einer vollkommen neuen Tell-Adaption von und mit Regisseur Franz von Strolchen», zeigt sich Reto Bernhard, Leiter des Theateratelier Ebikon, stolz auf dem Nachwuchs aus seinem Verein. Und mit Rony Jecker war gleich ein zweiter Ebikoner-Theaterkid als Statist mit dabei. «TELL – eine wahre Geschichte», hat es in sich.
Vom Theateratelier Ebikon auf die grosse Bühne. «Ebikon bietet Talente in vielen Bereichen, darum dürfen wir im neusten Beispiel mit unseren Theaterkids stolz sein, dass gleich zwei Jungs auf der Bühne des Luzerner Theaters ihren ersten Auftritt feiern durften, dazu noch in einem Bühnenklassiker», sagt Reto Bernhard, Improphil-Schauspieler, Regisseur, Theaterpädagoge und Initiant sowie Leiter des Theateratelier Ebikon. Zeigt ihm auch, dass sein Team mit den Kids auf dem richtigen Weg zu einem Jugendtheater und später zu einer Theatergesellschaft ist. «Die Lücke vom Kids- zum Seniorentheater ist zu gross, diese Lücke möchten wir in Ebikon schliessen», sagt Bernhard.

Casting im Südpol
«Wir brauchen Jungs, Kids für verschiedene Rollen, meldet euch», hiess es in der Ausschreibung des Luzerner Theater. «Ich wusste noch nicht, was mich alles erwartet, das Vortragen der ersten Texte beim Casting kam gut an, dann wurde ich als Walter ausgewählt – und dann wurde es ernst und das Proben teilweise auch anstrengend. Das hat aber Spass gemacht und es war eine tolle Erfahrung. Ich habe von vielen Leuten gute Unterstützung bekommen», erinnert sich der 12-jährige Nicolai an erste Begegnungen mit teils arrivierten Schauspielern: Fritz Fenne als Wilhelm Tell -Vaterfigur in der Geschichte-, Christian Baus, Sophie Hottinger, Olivia Grässer oder André Willmund spielten die Hauptrollen. Und mitten drin der Neuling, der Debütant, in seiner von Goethe auf Deutsch betitelten Antrittsrolle: Nicolai. Gleich ergings es Kid-Schauspiel-Kollege Rony. «Das hat enorm Spass gemacht, toll, diese gute Schule am Theater, schön, dass ich das erleben durfte», freut er sich an
dieser Erfahrung. Was beide verbindet: Mehrere Auftritte hatten sie im 2017 gegründeten Theateratelier Ebikon, in «Das Sprungbrett», «Der Teufel mit den drei goldenen Haaren» oder in «Die Wahlschlacht» -leider später wegen Covit-19 abgebrochen- waren sie im 14-er Kids-Team mit dabei. Und beide betonen: «Sport allgemein, Fussball oder Musik und andere Hobbys hatten trotzdem noch Platz, das muss so sein.» Und wenn auf die neue Saison hin Anfangs September erste Proben angesagt sind, sind sie auch wieder mit dabei. Wobei sie sich auch in der Schule näherkommen: Sie kommen beide in die Oberstufe, vielleicht sogar in die gleiche Klasse.
Rolf Willimann
«TELL – eine wahre Geschichte»
Schillers Klassiker «Wilhelm Tell» gibt es in dutzenden von Varianten: Bühnenstücke, Laien- und Landtheater, Kino- und TV-Filme, Videos, etc. Und seit letztem Jahr kommt eine «Tell»-Adaption dazu, die den Schweizer Gründungsmodus als eine moderne Vater-Sohn Beziehung erzählt. Der berühmte Apfelschuss wird dabei zum Sinnbild für eine archaische Herausforderung, die der Held der Geschichte alleine gar nicht bewältigen kann. «Damit wird dieser Tell zu einer Figur mit Fehlern, Widersprüchen und Zweifeln – und eignet sich gerade deshalb so gut als Identifikationsfigur unserer Zeit.
Wie es zu dieser Inszenierung kam? Im Sommer 2020 reist Regisseur Franz von Strolchen in einem alten weissen Postbus um den Vierwaldstättersee, um jene Orte zu besuchen, die in der Sage von Wilhelm Tell Erwähnung finden. Gemeinsam mit seinem Team spricht er mit den Bewohnern vor Ort über die «wahren» Helden und Heldinnen von heute. Die gesammelten Berichte und Interviews sind Grundlage dieser neusten «Tell»-Adaption. Franz von Strolchen hat sich nach «Biedermann und die Brandstifter» zum zweiten Mal mit einem Schweizer Klassiker auseinandergesetzt. Mit Fritz Fenne in der Titelrolle, erzählt er von Vätern, die ihren Kindern plötzlich eine Welt erklären müssen, die sie selbst nicht mehr verstehen – und von Helden, die nie welche sein wollten. rowi
