
EBIKON – In der vorletzten Ausgabe dieser Zeitung haben wir über die Wahl des neuen Zunftmeisters der Rotseezunft berichtet. Andreas Stübi (52) stammt aus Ebikon und lebt zusammen mit seiner Frau Gaby auf der Ebikoner Alp in Adligenswil. Der «rontaler» sprach mit dem Projektleiter für Grossprojekte bei einem Meinungsforschungsinstitut über die Fasnacht, die Rotseezunft, seinen neuen Titel als Zunftmeister und vieles mehr. Ausführlich und mit viel Humor stand Andreas Stübi Rede und Antwort.
Andreas Stübi, seit wann sind Sie angefressener Fasnächtler? Wie kamen Sie zur Fasnacht?
Die Fasnacht hat mich schon als kleiner Knirps fasziniert. Zuerst als fleissiger Orangen- und Konfettisammler entlang der Umzugsroute und schon bald als stolzer Cowboy mit Chäpslipistole und den legendären Frauenfürzen. Einmal im Jahr war das erlaubt. Die Chance habe ich immer genutzt. Nicht immer zur Freude der Mama. Dann folgten einige Jahre eher diskreter Fasnachtsaktivitäten, bis mich im späteren jüngeren Alter von 22 Jahren das Guuggenmusigfieber gepackt hat. Nicht bei irgendeiner Musig, sondern bei den Rüüsguslern. Während 15 Jahren konnte ich mit dem wilden Haufen Kameradschaft und Fasnachtsbegeisterung leben und erleben. Typisch Rüssgusler halt. Musikalisch als ausgebildeter Tambour zwangsweise meistens in der ersten Reihe, oder mit der Chochi unterwegs, bis die Räder blockierten.
Und wie kamen Sie zur Rotseezunft?
Die Beziehung zur Rotseezunft entstand ebenfalls während der Guuggerzeit und war anfangs noch geprägt von der Vorstellung, dass ja nur die Guuggenmusigen wirklich wissen, wie man Fasnacht macht. Diese Einstellung wurde aber schnell und intensiv geändert. Für mich eines der tollsten Fasnachtsjahre durfte ich mit den Guslern mit dem Zunftmeister der Rotseezunft Rolf Käppeli erleben. Sein Gefolge, die Zünftler eben, haben mich mit ihrer Begeisterung überrascht, und aus dieser Zeit sind bis heute bestehende Freundschaften entstanden. Nach der Zeit als Guuggenmusiger lag es also auf der Hand, dem Ruf der alten Freunde zu folgen und wieder unter Gleichgesinnten zu sein. Fasnacht machen halt, auf eine andere und grad so intensive Art.


Welche Bedeutung hat die Fasnacht für Sie heute? Und die Rotseezunft im Besonderen?
Für mich bedeutet die Fasnacht sehr viel. In jüngeren Jahren habe ich es sogar geschafft, im Arbeitsvertrag eine Fasnachtsferienklausel reinzuschmuggeln. Fasnacht ist für mich die Zeit, während derer es möglich ist, etwas anzureissen oder umzusetzen, was sonst vielleicht nur Kopfschütteln verursacht. Und plötzlich – an der Fasnacht eben – finden es alle toll. Ausser vielleicht die Zürcher – das ist aber auch egal. Für mich gehört die Fasnacht zur Identität als Luzerner und Ebikoner, ein Stück Heimat, das uns von andern abhebt und so ein Gemeinsamkeitsgefühl vermittelt. Die Rotseezunft hat es sich auf die Fahnen geschrieben, dieses Stück Kulturgut zu pflegen und weiterzuvermitteln. Und wie geht das besser als den Virus auch den Kindern einzuimpfen? Die Begeisterung der Kinderaugen am jährlichen Fasnachts- und Kinderumzug in Ebikon, organisiert durch die Rotseezunft, entschädigen in jeder Hinsicht das Engagement aller.
Wie sind Ihre Pläne für das kommende Zunftmeisterjahr?
Das Zunftmeisterjahr war ja weder langfristig geplant noch lange vorhersehbar. Das soll auch für die Fasnacht gelten. Spontaneität muss nebst allen schönen Traditionen immer Platz haben. «Hoppla Geiss – das wird sicher heiss!» (Das Motto der Fasnacht 2015 lautet «Hoppla Geiss, Äbiker Fasnacht ganz heiss»). Fasnacht ist leben und leben lassen. Freude am eigenen- und am Schaffen anderer haben. Kultur und Traditionen pflegen und auch neue Traditionen schaffen.
Gibt es Kontakte und Beziehungen zu anderen Zünften und Fasnachten?
Die Rotseezunft Ebikon pflegt eine offene Kultur der Verbindungen und Kontakte zu andern Fasnachten und Zünften der Region. Die meisten Verbindungen sind lockerer Natur, wie es sich gehört. Respekt für das Schaffen des Anderen und Unterstützung, wenn Not am Mann ist, nicht nur zu Zünften, sondern vor allem auch zu andern Fasnachtsbegeisterten in und um Ebikon. Eine besondere Freundschaft besteht zur Fasnachtsgesellschaft in Würenlingen. Gegenseite Besuche an den Umzügen sind Ehrensache. Und da wäre noch die eingefleischte – äh eingebrotete – Mutschlizunft. Aber das ist eine andere Sache. Zu dieser kleinen, in Ebikon entstandenen Zunft pflege ich ebenfalls persönliche Kontakte als Zunftmitglied.


Was macht die Ebikoner Fasnacht so speziell?
Unsere Fasnacht in Ebikon war und ist geprägt von vielen kreativen und engagierten Köpfen. Nur um zwei, drei Stichworte zu nennen – und niemand andern zu beleidigen: Der Ruf der Guuggenmusigen hallt weit über die Dorfgrenzen hinaus, die Rätschhäxe kennt man weitherum, andere Kult-Ur-Fasnächtler-Gruppen prägen die Szene mit. Ist das vielleicht begründet dadurch, dass alle einmal schon selber als Knirpse die Möglichkeit hatten, am grössten Kinderumzug der Region teilzunehmen? Die Rotseezunft aus Ebikon legt sehr grossen Wert darauf, Kinder für die Fasnacht zu begeistern, nicht nur als Zuschauer am Strassenrand, sondern als Teilnehmer. Mittendrin, verkleidet, mit Maske oder tollem selber gebasteltem Grind oder Fasnachtskleid.
Was halten Sie vom Klischee des Fasnächtlers, der nur einmal im Jahr Humor beweist, die restlichen Monate jedoch eher als «stuure Grind» gilt?
Die Fasnacht – nicht nur in Ebikon – gibt eigentlich jedem und allen die Chance, kreativ zu sein, sich zu engagieren, etwas Verrücktes zu machen. Entweder als Einzelmaske oder in Gruppen. Die Einzelmaske hat Freude daran, sich zu präsentieren. Der Lohn ist ein Schmunzeln, staunende Blicke, spontanes Klatschen. Als Gruppe erlebt man Teamwork, kann ein gemeinsames Ziel verfolgen, findet tolle Kameradinnen und Kameraden. Erlebt Verrücktes oder macht Verrücktes. Die Fasnacht ist für mich eine begrenzte Zeit, ein Filetstück des Jahres. Wäre das ganze Jahr über Fasnacht, dann würde der besondere Kick wohl fehlen. Also hat eine Begrenzung der fünften Jahreszeit durchaus auch ihren Sinn. Es ist ja auch nicht das ganze Jahr Frühling oder Sommer. Irgendwie erkennt man aber auch unter dem Jahr den Fasnachtsbegeisterten. Das Klischee, dass diese nur während der Fasnachtszeit die Fassade herunterlassen uns sonst das ganze Jahr sture Grinde, humorlos und ernst sind, trifft kaum zu. Und wenn schon! Wenigstens schaffen sie es einmal pro Jahr, etwas «Mensch» zu sein. Es gibt noch viel mehr, die schaffen es nicht mal an der Fasnacht.

Zunftmeisterempfangs am 11.11.

mit Ehefrau Gaby Stübi.
Wie weit ist Ihre Familie ebenfalls vom Fasnachtsfieber infisziert?
Woher ich den Fasnachtsvirus eingeimpft bekommen habe, ist leider nicht mehr genau nachvollziehbar. Was aber sicher ist, dass ich ihn auch weiter geben konnte. Einerseits an meine Mutter. Ursprünglich nicht speziell fasnachtsbegeistert, hat sie mich immer tatkräftig beim Gwändlinähen unterstützt. Der Stolz auf jedes gelungene Werk hat den Virus auch bei ihr immer stärker werden lassen. Und dann natürlich meine Frau Gaby. Sie hat meine Begeisterung immer mitgetragen und mich aktiv unterstütz. Selber ist sie jeweils mit Freundinnen an der Fasnacht unterwegs. Im besonderen Zunftmeisterjahr wird es mir eine Ehre sein, sie an meiner Seite zu wissen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen ein tolles Zunftmeisterjahr!
Interview: Stefan Jäggi

von Zunftpräsident Jörg Bucher (links) und Weibel Thomas Wirth (rechts) – mottogerecht herausgeputzt.

Mottogerechte Tischdekoration
am 11.11.2014.