Über mangelndes Selbstvertrauen konnte sich der Profifußballer Nicklas Bendtner nie beklagen. Und das hat der Däne vom Sportpsychologen Jacques Crevoisier auch schriftlich bekommen. Dieser untersuchte in regelmäßigen Abständen die mentale Form der Arsenal-Spieler und er staunte nicht schlecht als der die Ergebnisse der Kategorie „Selbstwahrnehmung“, also wie sich die einzelnen Spieler selbst einschätzten, zu sehen bekam. Tatsächlich war Bentners Selbstvertrauen so hoch, dass er in einer Skala, die nur bis neun ging, eine zehn bekam. Das hatte der Franzose noch nie gesehen.

Laut Crevoisier kann ein solch hohes Vertrauen in das eigene Ich sowohl ein Zeichen der Stärke aber auch von Schwäche sein. „Immer wenn Bendtner eine Chance vergeben hatte, war er wirklich immer davon überzeugt, dass es nicht seine Schuld war. Dieser Verdrängungsmechanismus kann zu bis zu einem gewissen Grad zu einem Problem werden, aber kann auch andererseits als bemerkenswerte Fähigkeit angesehen werden, nach tiefen Rückschlägen auch immer wieder gestärkt zurückzukommen.“

Damals, im Jahr 2011, waren diese Testergebnisse nicht mehr als eine amüsante Anekdote in der Sportwelt, aber es gab bereits zu dieser Zeit konkrete Anzeichen dafür, dass seine vielversprechende Karriere nicht so verlaufen sollte, wie diese anfänglich geplant war. Bendtner war gerade erst 23 Jahre alt geworden und wurde an den damaligen Premier-League Verein FC Sunderland ausgeliehen, und dies nach vier Saisonen, die der dänische Nationalstürmer im Dress der des FC Arsenal gespielt hatte.

In Sunderland kam es dann mit Trainer Steve Bruce zu einem Wiedersehen, denn der blutjunge Spieler spielte schon fünf Jahre zuvor als Leihspieler von Arsenal im Dress von Birmingham City unter dessen Anweisungen. Dort konnte sich der 17-jährige mit elf Meisterschaftstreffern in 42 Begegnungen ins Rampenlicht spielen und war wichtiger Bestandteil jener Championship-Mannschaft, die den Aufstieg als zweitplatzierter in der Saison 2006/07 in die höchste englische Liga schaffte.

Die vielversprechende Karriere vom Niedergang bedroht

Am Ende dieser Aufstiegssaison schien es, dass Bendtner kurz vor seinem großen Durchbruch bei den Gunners stand. Arsene Wenger war ein begeisterter Befürworter des Dänen und setzte viele Stücke auf den Vollblutstürmer. Niklas Bendtner wurde behutsam als die zukünftige Nummer 9 von Arsenal aufgebaut. Jedoch in den vier Jahren seiner Karriere als Leihspieler unter Trainer Bruce sorgte Bendtner zumeist mehr für Aufsehen außerhalb des Platzes als auf diesem, und ließ den Frustrationspegel bei seinen Teamkollegen stetig steigen.

Dies ging so weit, bis auch bei seinem größten Bewunderer und Befürworter, dem Arsenal Langzeitcoach Arsene Wenger, der Geduldsfaden riss, und die nächste große Zukunftshoffnung der Gunners das Emirates-Stadion verlassen musste. Nach Zwischenstationen in der Serie A beim italienischen Rekordmeister Juventus Turin, in der deutschen Bundesliga beim VfL Wolfsburg und bei der norwegischen Spitzenmannschaft Rosenborg Trondheim, ist der mittlerweile 32-jährige und 80-facher dänischer Nationalspieler in der vierten dänischen Liga bei der Altherrenmannschaft von Tarnby FF angekommen.

Am 8. Oktober veröffentlichte Niklas Bendtner seine Autobiografie „Both Sides“. Darin wird genau beschrieben, wie ein junger Fußballer als gefeierter Premier League Star, dem die Welt buchstäblich zu Füßen liegt, Reichtum, Ruhm und alles Erarbeitete durch die unkontrollierbaren Selbstüberschätzung verliert.

Dieses Buch gibt tiefe Einblicke in die Karriere und das Privatleben des Dänen. Erschreckend ist zu lesen, wie sein Leben gerade am Höhepunkt seiner Fußballkarriere vollkommen aus den Fugen geriet und dies nicht nur, weil er an einem Abend in einem Londoner Casino innerhalb von 90. Minuten – die Länge eines Fußballspiels – mehr als 400.000 Pfund an einem Roulette-Tisch verloren hatte.

„Ich bin viel zu betrunken, um an einem Tisch zu sitzen“, sagt er. „So viel verdiene ich. Aber Roulette ist doch eine ganz andere Sache. Rot, schwarz, rot, schwarz. Wie kompliziert kann dieses Spiel wohl sein?“. Aber sein benebelter Zustand ließ ihn vollkommen darauf vergessen, dass alle Casinospiele – auch Roulette, so entwickelt und konzipiert sind, damit sie dem Casino einen Vorteil gegenüber dem Spieler verschaffen. Und dabei helfen auch die besten Roulette-Strategien nicht, denn auch diese können keine langfristigen Gewinne garantieren. Kein Wunder daher, dass Bendtner auf breiter Front eine schwere finanzielle Niederlage einstecken musste.

Zu viel Talent, zu wenig Demut

Für den damals jungen Mann war nicht das verlorene Geld das Hauptproblem, sondern vor allem das Fehlen jeweiliger Selbstdisziplin und eines ausgeprägten Realitätssinns. Eine Person, die davon ausgeht, dass auf Grund eines unermesslich scheinenden Spielbudgets –  auch im  betrunkenen Zustand – sich irgendwann der Roulette-Kessel zu deren Gunsten drehen wird, täuscht sich gewaltig. Und von diesen Tatsachen werden auch die bestbezahlten Fußballer nicht verschont.

Dieser Casino-Besuch fand übrigens nur wenige Monate nach seinem berühmt gewordenen Selbstvertrauenstest statt.

Für manche Menschen mag es unverständlich sein, dass junge Menschen wie Bendtner, solche einzigartige Lebensperspektiven, von denen Millionen von Kinder nur träumen können, verpassen. Sein sportlicher und privater Abstieg ist nur ein weiteres Kapitel in den unzähligen Geschichten, die von den Untergängen vieler ehemaliger Stars und Sternchen erzählen. Ruhm kann flüchtig sein und die Scheinwerfer erlöschen schnell.

In der hart umkämpften Welt des Spitzensports – insbesondere im Reich des Weltsports Fußball – kann nicht nur das Talent einen Athleten an die Spitze der Karriereleiter bringen, auch harte Arbeit, Engagement und Demut gehören zu den Tugenden, die eine erfolgreiche Sportlerlaufbahn begleiten, und erst ermöglichen.

Glück im Unglück?

Talent konnte Bendtner nie abgesprochen werden, auf jeden Fall nicht während seiner Jahre bei den europäischen Spitzenteams, es fehlte ihm jedoch zweifellos an den oben erwähnten Eigenschaften. Wenig verwunderlich war, dass seine sportliche Weiterentwicklung ins Stocken geriet. Auch weiteren Eskapaden wie Autofahrten unter Alkoholeinfluss, Beziehungen zu leichten Mädchen und Schlägereien verpassten ihm das Image des „Bad Boys“ – auch Folgen der Trübung seines eigenen Urteilsvermögens.

Die Vorschusslorbeeren und das Vertrauen von Arsene Wengers – der Franzose hat den Dänen einmal als „Spieler von höchster Qualität“ bezeichnet – dürften Bendtner nicht wirklich gut getan haben. Wie seine Karriere deutlich bewiesen hat, und wie dies auch in seiner Autobiografie hervorgeht, kann die Reise zur Spitze der Fußballpyramide auch sehr gefährlich sein.

Ob nachfolgende Spielergenerationen von jenem Ex-Profi, der mit dem Spitznamen „Lord Bendtner“ geadelt wurde – dieser stand für seinen verschwenderischen Lebensstil und sein prahlerisches Auftreten am Fußballplatz, und dessen Geschichte lernen werden, ob auch sie von Ruhm und schnellem Reichtum geblendet werden, wird uns die Zukunft weisen.

Aber jene Person, die schlussendlich doch am meisten von seinen eigenen Fehlern profitieren wird, wird Bendtner selbst sein. Er hat Ambitionen bekundet, in das Trainergeschäft einzusteigen, um dort einen Neustart zu versuchen. Wahrscheinlich wird es keinen besseren Manager geben, der die jungen Spieler ähnlichen Charakters versteht und ihnen bei den Herausforderungen, die der Profisport auch abseits des Platzes stellt, helfen wird können. Denn er weiß es am besten, dass alles Erreichte sehr schnell verschwinden kann. Spätestens dann will der 32-Jährige Däne endgültig aus den Fehlern seiner aktiven Karriere gelernt haben.