«Einer entscheidet»

ro. «Einer entscheidet.» Unter dieser Überschrift erschien in der «Schweizer Familie» ein Artikel, welcher wirklich zum Schmunzeln ist.

Am 29. Januar 2012 war im bündnerischen Schnaus Abstimmungstag. Zu befinden hatten die Stimmberechtigten über eine Initiative der FDP. Darin war die Rede von Regulierungsfolgeabschätzung, KMU-spezifischem Bürokratieabbau und Schwellenwerten der Rechnungslegungspflicht. Zu diesem undefinierbaren Inhalt bemerkt der Artikelschreiber: «Manche Volksabstimmung ist komplizierter als ein Handelsabkommen mit Burkina Faso (Afrika).»
Zum Glück besagt direkte Demokratie sowohl, dass jeder mitbestimmen darf, als auch, dass niemand mitbestimmen muss. Daran haben sich die Schnauserinnen und Schnauser gehalten. Bis auf einen. So stand es auf dem ausgehängten Abstimmungsformular im gemeindlichen Informationskasten: Personen mit Stimmrecht: 75 (Schnaus zählt 127 Einwohner). – Abgegebene Stimmzettel: 1. – Ungültige Stimmzettel: 0!
Der einzige «Abstimmer» stammte etwa nicht aus dem Gemeinderat. Entweder hatten sie die Abstimmung vergessen, hatten Schöneres zu tun oder sie interessierte das Thema (wie alle anderen) nicht. Abschliessend wird im Bericht festgehalten, dass die Stimmbeteiligung in Schnaus 1,33 Prozent betrug. Dort war für einmal Demokratie nicht die Diktatur der Mehrheit, sondern die Diktatur der Minderheit. Souverän Peder Caspescha – so hiess der einzige 79-jährige «Abstimmer»  und von Beruf Schnapsbrenner – hat entschieden. Schnaus hat die Initiative angenommen. Einstimmig, wohlverstanden!