
Der Adligenswiler Joel Bazelli (25) fuhr von der Schweiz aus 17’500 Kilometer mit reiner Muskelkraft durch Europa und durchquerte dabei 36 Länder und deren Hauptstädte. Dabei streifte er die Kontinente Afrika und Asien. Vergangenen Donnerstag erreichte er auf seiner letzten Etappe nach über einem Jahr die Hauptstadt Bern.

Joel Bazelli kommt aus Adligenswil und hat in Luzern die Kantonsschule absolviert. Anschliessend studierte er für drei Jahre in Bern an der Uni Sportwissenschaften. Und hat als Lehrer Stellvertretungen gegeben. Vor einem Jahr schloss er mit dem Bachelor ab. Bevor er jedoch mit dem Masterstudium begann, wollte er unbedingt eine Pause einlegen, um aus dem Alltag auszubrechen und gleichzeitig den Horizont zu erweitern. «Schliesslich fand ich in der Kombination aus Sport, Reisen und meinem Entdeckergeist die perfekte Kombination für mein Abenteuer», sagt Bazelli. Daraus wurde eine Reise mit dem Velo quer durch Europa. Oder auf Neudeutsch: Project Europe.
Von Bern nach Bern
Am 1. August 2015 war es dann soweit; die Reise begann in der Bundeshauptstadt Bern und sollte ihn in den darauf folgenden 376 Tagen durch 36 Länder und deren Hauptstädte und über 17’500 Kilometer weit führen, was einer Distanz von Zürich nach Sydney entspricht. Nota bene mit purer Muskelkraft. Nur mit dem Velo und mit wenig Gepäck, auf der ganzen Reise auf sein Velo gepackt. Die Reise führte ihn von Bern aus über die Beneluxstaaten bis in den hohen Norden Schottlands. Zurück auf dem Festland fuhr er bis an den westlichsten Punkt des Kontinents in Portugal. Danach führte ihn sein Abenteuer über die Strasse von Gibraltar nach Marokko, wo er in der afrikanischen Sonne die Weihnachtszeit verbrachte. Wieder in Europa, überquerte er die Pyrenäen und folgte der Mittelmeerküste in Richtung Mitteleuropa. Nachdem er dann den Stiefel Italiens einmal hinunter bis nach Malta und wieder hinauf fuhr, führte ihn sein Weg quer durch den Balkan bis auf die asiatische Seite der Türkei. Und es versteht sich von selbst: Von da an zurück, natürlich auch wieder mit dem Velo.
Einsamkeit und Grenzerfahrungen
Die Nächte verbrachte er dabei entweder im Zelt, in Jugendherbergen oder in einfachen Pensionen. Obwohl er die Reise grundsätzlich alleine angetreten hatte und auch oft alleine unterwegs war, hat er immer wieder Gleichgesinnte und Weggefährten für Teilabschnitte der Reise gefunden, mit denen er viele Erlebnisse teilen konnte. «Ich war zwar viel allein, aber alleine gefühlt habe ich mich sehr selten. Einerseits habe ich mich oft mit mir selbst beschäftigt und andererseits ist die Welt voller netter Menschen, die darauf warten, kennengelernt zu werden.» Aber nicht nur die Einsamkeit war auf dieser Reise ein allgegenwärtiges Thema, sondern auch die physischen und psychischen Grenzerfahrungen. Laut Bazelli gebe es sehr oft Momente, an denen man an seine Grenzen komme. «Aber genau wegen diesen Momenten lässt man sich auf so eine Reise ein, denn für mich ist es etwas wahnsinnig Eindrückliches, selbst zu spüren, wie weit man gehen kann und wo seine eigenen Grenzen liegen, um so auf sich selbst hören zu lernen.»
Grosser Empfang auf dem Bundesplatz
Am vergangenen Donnerstag dann war der grosse Tag gekommen: Nach 376 Tagen alleine unterwegs kehrte er zurück in die Schweiz und wurde nach dieser letzten Etappe auf dem Bundesplatz in Bern von Freunden und Familie in Empfang genommen. Von den Gefühlen überwältigt, meinte ein sichtlich gelöster Joel Bazelli: «Unterwegs zu sein ist zwar sehr schön, aber das Schönste am Unterwegssein ist am Schluss halt doch, wieder zu Hause anzukommen.» Auch für seine Eltern war die Ankunft emotional sehr berührend. «Ich freue mich wirklich extrem, meinen Sohn nach so langer Zeit wieder in die Arme schliessen zu können», sagte Rita Bazelli, die sichtlich bewegte Mutter des Abenteurers.
Homepage und Blog
Um seine Erlebnisse zu teilen und auch andere an seinem Abenteuer teilhaben zu lassen, hat Bazelli während seiner Reise durch Europa auf einer eigenen Homepage seine Route mit Bildern und mit aktuellen Blogeinträgen festgehalten. Von der langen Reise – zum Teil auch durch ehemalige Kriegsgebiete oder noch immer aktuelle politische Brandherde – nimmt er vor allem eines mit: Gelassenheit. «Denn nach wochenlanger Reise abseits von Touristenströmen erlebt man das harte Leben in Teilen Europas hautnah mit. Da realisiert man, wie gut man es zu Hause in der Schweiz hat. Und dass man deshalb in gewissen Lebenssituationen viel gelassener reagieren sollte.»
Pascal Käch
