Grösstes Gemeinschaftsprojekt der Zentralschweiz

 

 

 

Am Dienstag, 28. Februar, wurde auf dem Schiff «Brunnen» die Renergia Zentralschweiz AG gegründet. Zusammen mit der Perlen Papier AG soll die neue überregional organisierte Aktiengesellschaft ein 320 Millionen Franken teures Kraftwerk in Root bauen.

red. Es war ein sonniger Dienstagmorgen, als das Schiff «Brunnen» am 28. Februar kurz nach 9 Uhr morgens beim Dock vor dem KKL ablegte. Mit an Bord waren praktisch alle Beteiligten des Energie-Projekts «Renergia». Auf dem Schiff wurde die Gründung der Aktiengesellschaft Renergia Zentralschweiz vollzogen. Das neu gegründete Unternehmen ist für die Realisierung einer Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) zuständig, die zukünftig von der ganzen Zentralschweiz genutzt werden soll. Bei der Umsetzung und Nutzung arbeitet die Renergia Zentralschweiz AG eng mit der Perlen Papier AG zusammen, welche den Boden für den 320- Millionen-Bau bereitstellen wird. Zusätzlich wird der Rontaler Papierproduzent der grösste Einzelabnehmer des geplanten Kraftwerks.

Breit abgestütztes Projekt
Ein gut gelaunter Martin Zumstein begrüsste die geladenen Gäste, welche in dieser letzten Februarwoche die lang ersehnte Gründung der Renergia Zentralschweiz AG miterleben durften. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung der REAL startete den Morgen mit dem Mikrofon in der Hand und stellte seine Verbandskollegen in Kurzinterviews zur Rede. Das Renergia-Projekt umfasst alle acht Zentralschweizer Abfallverbände. Dies ist der Gemeindeverband für Abfallentsorgung Luzern-Landschaft (kurz: GALL), der Gemeindeverband Kehrichtentsorgung Region Entlebuch (GKRE), der Entsorgungszweckverband Obwalden (EVZ), der Kehricht-Verwertungs-Verband Nidwalden (KVV), die Zentrale Organisation für Abfallbewirtschaftung im Kanton Uri (ZAKU), der Zweckverband Kehrichtentsorgung Region Innerschwyz (ZKRI), der Zweckverband der Zuger Einwohnergemeinden für die Bewirtschaftung von Abfällen (ZEBA) und mit dem grössten Anteil aller Verbände die Recycling Entsorgung Abwasser Luzern (REAL). Die Abfallverbände sind gemäss ihrem Abfallaufkommen am Projekt finanziell beteiligt. Dadurch sind die Verbände nicht mehr nur Vertragspartner sondern auch Besitzer der Anlage.

320 Millionen Franken
Rund ein Drittel des Aktienkapitals wird von den Besitzern getragen. Nebst dem Aktienkapital werden rund 220 Millionen Franken durch Fremdfinanzierung aufgebracht. Den grössten Anteil am Anteil von 100 Millionen Franken zeichnet mit 44,4 Prozent der Luzerner Verband REAL, welcher heute die KVA in Ibach betreibt. Bisher verteilen die acht Verbände ihren Abfall nach Oftringen, Horgen, Winterthur, Niederurnen und eben Ibach. All diese Anlagen werden in Zukunft durch die Renergia abgelöst oder zumindest entlastet werden. Einen enormen Nutzen davon wird die Perlen Papier AG (PEPA) haben, welche bei der Realisierung des Projekts beteiligt ist.

Beteiligung der Perlen Papier
Die Perlen Papier AG bringt das Bauland sowie ökologische Ausgleichsflächen für die neue KVA als Sacheinlage in die neu gegründete Trägergesellschaft Renergia Zentralschweiz AG ein. Sie ist dadurch zu 10 Prozent an der neuen Gesellschaft beteiligt und hat somit einen ähnlich grossen Anteil wie die ZEBA. Das eingebrachte Grundstück wird nicht für die zukünftige Entwicklung von PEPA benötigt. Nach Fertigstellung der KVA wird Perlen Papier den bei der Kehrichtverbrennung entstehenden Niederdruckdampf übernehmen und für die eigene Papierproduktion verwenden. Daraus resultieren Einsparungen von rund 40 Mio. Liter Heizöl pro Jahr. Dementsprechend antwortete Geschäftsleitungsmitglied Klemens Gottstein schlicht auf die Befragung durch Martin Zumstein mit: «Wir freuen uns auf den Dampf!». Ausserdem wird Jörg Michel von der PEPA Einsitz im Verwaltungsrat nehmen.

Das Steuer übergeben
Kurz nach 10 Uhr startete die offizielle Gründung vor dem Hafen von Küssnacht am Rigi. Die Luzerner Stadträtin Ursula Stämmer-Horst als Vorstandsmitglied der REAL übergab das metaphorische aber auch handfeste Steuerrad an den neuen Verwaltungsrat der Renergia Zentralschweiz AG. Dieser besteht aus Präsident Franz Xaver Muheim (Jurist, Abfallbewirtschaftung Uri), Jean-Claude Balmer (Ingenieur, Zweckverband Kehrichtentsorgung Region Innerschwyz), Jörg Michel (Chemiker, Produktionsleiter Papierfabrik Perlen), Felix Thöni (Finanzexperte, Zug) und Martin Zumstein (Ingenieur, Vorsitzender Geschäftsleitung REAL). Der Verwaltungsrat wird durch den Fachbeirat mit Vertretern der beteiligten Kehrichtverbände unterstützt. Da das Thema Schiff an diesem Tag Trumpf war, erhielt auch die neue Projektleitung ein passendes Übergabegeschenk. Martin Zumstein, welcher den Boden für die Renergia bereitet hat, übergab das metaphorische Ruder an Ruedi Kummer. Er soll zusammen mit Felix Bolli, Adrian Schuler, Jörg Gerber und Isabelle Kalt-Scholl das ehrgeizige Monumentalprojekt umsetzen. Die Inbetriebnahme des Energiewerks ist für 2015 vorgesehen.

Energie aus Abfall
Rund 200‘000 Tonnen Abfall wird die neue KVA jährlich sicher entsorgen. Durch die Verbrennung des Abfalls wird Dampf produziert, welcher eine Turbine antreibt. Der daran angeschlossene Generator produziert cirka 155 Gigawattstunden Strom pro Jahr – genug um den Bedarf von rund 38‘000 Haushalten zu decken. Ebenso entstehen im Betrieb grosse Mengen Abwärme. Künftig besteht zudem die Möglichkeit, Firmen und Haushalte im Rontal mit Fernwärme zu versorgen. Das Kraftwerk soll bezüglich Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit zu den besten Kehrichtverbrennungsanlagen der Schweiz gehören. Bereits im Sommer 2012 erfolgt der Spatenstich für das 320 Mio. Franken teure Bauwerk in Perlen, Gemeinde Root. Nach der Inbetriebnahme der Renergia im Jahr 2015 wird hier der Abfall aus allen 6 Zentralschweizer Kantonen mit modernster Technologie verbrannt. Dank den kürzeren Transportstrecken und den günstigen Verbrennungstarifen profitieren sämtliche Verbände massgeblich von der neuen Anlage.

Nachgefragt
Der «Rontaler» hat zwei direkt betroffene Gemeindepräsidenten zum Projekt «Renergia» befragt. Klaus-Peter Schmid und Urs Waldispühl geben Auskunft, wie Root, beziehungsweise Buchrain zu der KVA steht.

Welchen Stellenwert hat und welche Standortvorteile schafft das Projekt «Renergia» für Ihre Gemeinde?
Klaus-Peter Schmid: Die Renergia ist ein Win-win-Projekt für alle. Die Verbände und somit alle Einwohner in der Zentralschweiz profitieren mittelfristig von attraktiven Abfallgebühren. Zudem sind langfristig die Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Perlen gesichert und es werden zusätzliche neue Arbeitsplätze geschaffen. Als Gegenleistung konnten mit der Renergia Zentralschweiz AG ökologische Ausgleichsmassnahmen ausgehandelt werden, welche die Gemeinde Root bei vorgesehenen Projekten entlastet, wie beispielsweise für die Verlegung und den Neubau des Fussballfeldes im Bereich des Flachmoors, die Renaturierung und Verlegung des Wilbachs sowie die kostenlose Wärmelieferung für öffentliche Anlagen während drei Jahrzehnten.

Urs Waldispühl: Ein Standortvorteil wird sich für Buchrain allenfalls im Bereich der Abwärme ergeben, wenn Gemeindegebiete von Buchrain mit Fernwärme der Renergia versorgt werden können. Auch kann die Gemeinde an der Schaffung von ökologischen Ausgleichsflächen teilhaben. Wir profitieren von deren Nähe und durch den wirtschaftlichen Betrieb, welcher sich durch den Verkauf der gewonnenen Energie sehr attraktiv gestalten wird. Dies wirkt sich direkt auf die Entsorgungskosten aus, von denen alle Haushalte und Gewerbebetriebe der angeschlossenen Gemeinden profitieren.

Gibt es Nachteile, welche durch das Projekt «Renergia» für Ihre Gemeinde entstehen?
Schmid: Auf den ersten Blick reisst sich niemand darum, eine Kehrichtverbrennungsanlage in seiner Gemeinde zu haben. Verkehrserschliessung, Mehrverkehr, Emissionen etc. waren anfänglich berechtigte Fragen, als es um die Standortfrage ging. Die Anlieferung erfolgt über den Autobahnanschluss Buchrain und auf der Schiene. Die befürchteten Auswirkungen in Bezug auf mehr Schwerverkehr sind zwischenzeitlich mit einem LKW-Fahrverbot auf der neuen Perlenstrasse bereits eliminiert. Wir werden auch weiterhin alles daran setzen, dass sich die Anlage mit einer hochwertigen Architektur optimal in die Landschaft eingliedert.

Waldispühl: Hauptproblem für die Gemeinde Buchrain ergeben sich durch die LKW-Zu- und Wegfahrten vom Autobahnanschluss Buchrain zur Kehrichtverbrennungsanlage Renergia. Verschärft wird dieses Problem zusätzlich durch das LKW-Fahrverbot, welches die Gemeinde Root auf ihrem Abschnitt der Perlenstrasse verfügt hat. Mit der kleinen Umfahrung des Dorfkerns von Perlen sowie durch die Abgabe der Gemeindestrasse an den Kanton wird sich Buchrain mit der Situation abfinden müssen. Wie sich bereits heute zeigt, muss der Anschluss der Hauptstrasse aus Buchrain an die Dorfstrasse Perlen kritisch im Auge behalten werden. Wenn der Lastwagenverkehr nach und von Perlen weiter zunimmt, wird sich im Einmündungsbereich eine Verkehrsregelung aufdrängen!

Quotes:

«Wir freuen uns auf den Dampf!» – Klemens Gottstein; Geschäftsleitung Perlen Papier AG

Klaus Peter Schmid, Gemeindepräsident von Root.

«Auf den ersten Blick reisst sich niemand darum, eine Kehrichtverbrennungsanlage in seiner Gemeinde zu haben» – Klaus-Peter Schmid; Gemeindepräsident Root.

Urs Waldispühl, Gemeindepräsident von Buchrain.

«Wir profitieren von deren Nähe und durch den wirtschaftlichen Betrieb» – Urs Waldispühl; Gemeindepräsident Buchrain.