Sie schieben nun eine ruhigere Kugel

Ein letztes Bild mit dem ehemaligen Wirtepaar Oski Stettler und Lieseli Reding in «Oskis Schmuckstück», der zweibahnigen Kegelbahn im Gasthaus Winkelried in Root.

Nach 143 Jahren und in der dritten Generation Stettler ist das Gasthaus Winkelried in Root – «der Winkel», wie ihn Einheimische nennen – Geschichte. Oski Stettler und seine Lebenspartnerin Lieseli Reding haben die Türe der Gaststube am 31. August für immer geschlossen: mit viel Wehmut, Erinnerungen an Schweiss und Arbeit, aber auch mit Freude und Dankbarkeit.

Als «Beiz» für Vereinsanlässe, Stubeten und an der Fasnacht waren die Gaststube und der Saal mit 85 Plätzen fester Bestandteil in der Rooter Dorfgemeinschaft. Von vielen Festen, Feiern, Stammrunden – fröhlichen aber auch traurigen Ereignissen – wüssten die bald 150-jährigen Mauern zu berichten, könnten sie denn sprechen.

Auch über die viel zu kleine Küche, die schnell an die Platz- und Kapazitätsgrenzen stiess. Sie forderte den gelernten Koch Oski wie auch Improvisations- und Organisationstalent Lieseli Reding gleichermassen. Etwa im November 1991 als Lieseli Reding, frisch verliebt, ihrem «Oski» einen Besuch abstatten wollte. Dessen Schwester Romy, am Servieren für den Saal voller Turner, schickte sie kurzerhand in die Küche. «Ich habe Blut geschwitzt, wusste ja nicht wo was zu finden war. Und vor dem Braten von Entrecôtes habe ich heute noch einen Riesenrespekt», blickt Lieseli heute darüber lachend zurück. Aber wie und wo lernten sich die beiden Lebensgefährten kennen?

Es zündete in der Laterne

Lieseli, begeisterte Fasnächtlerin, überredete Oski, den Fastnachstsabstinenten, 1991 zu einem Besuch in der «Laterne» in Luzern. Sie habe selber sehen wollen, wie dort die Teebeutel aus dem fasnächtlichen Kultgetränk Holdrio (Hagebuttentee mit Zwetschgenschnaps) an die Decke geworfen wurden und kleben blieben. Dort wurden sie zum Liebespaar. Lieseli wechselte von ihren Einsatzorten im Service in Root im Rössli, Bahnhöfli und an Vereinsanlässen sowie als Chef-Stellvertreterin im Wydenhof in Ebikon in den Winkel. Ab 30. September 1992 war ihr Schatz auch ihr Arbeitgeber.

Nach Wanderjahren heim

Die Eltern hatten Oski zehn Jahr zuvor die Führung des Gasthauses überlassen. Es sei schon immer klar gewesen, dass ein Kind die Nachfolge antreten sollte. Sein Rüstzeugt holte sich Oski als Jugendlicher in Belgien, zusammen mit 22 anderen Schweizern. Darunter auch Rooter wie Oskar Michel und Bruno Stöckli, ehemaliger Wirt aus Bremgarten: «Wir waren ‚Mädchen für Alles’ und sollten in diesem Jahr Französisch lernen.» Danach folgte die Lehre im Waldheim in Risch. Wanderjahre führten ihn in gute Häuser in Davos, Melide, Zürich, Gstaad und Haute-Nendaz. Die Wirteprüfung und der Servicekurs 1976 vervollständigten die Ausbildung von Oski. Vier Jahre nach dem Tod von Vater Oskar Stettler wurde Oski 1995 Besitzer des Gasthauses. Seine Mutter lebte noch bis zum November 2010 als sie auf tragische Weise auf dem Fussgängerstreifen vor dem Restaurant angefahren und tödlich verletzt wurde.

Erfolg dank Gegensätzen

Das Führungsteam im Winkel könnte unterschiedlicher nicht sein. Zum einen Oski eher bedächtig und lange überlegend, bevor er entscheidet. Zum anderen Lieseli, sprühend vor Energie, ohne Rast und Ruh und kreatives Talent. Ihrer Beharrlichkeit ist es teilweise zu verdanken, dass 1999 «Oskis Schmuckstück», die zweibahnige, vollautomatische Kegelbahn, ausgelegt als Stübli und mit 40 Sitzplätzen eingeweiht werden konnte. «Ich lag ihm mit dem Projekt wochenlang in den Ohren – ohne Erfolg», erinnert sich Lieseli. Kaum hatte sie aufgehört mit Stürmen, verkündete Oski eines Morgens: «Ich träumte von der
Kegelbahneröffnung». Der Startschuss zum Bau war gefallen.

Kegler und Kegeln sind Tradition

Im Winkel existierte seit 1927 eine Kegelhütte mit einer französischen Bahn und einem Schweinestall. An deren Stelle entstand nun die schweizweit beliebte und gerühmte Kegelbahn. In den bald 20 Jahren rollten die freien Kegler an den diversen Meisterschaften 332,55 Tonnen, die Sportkegler 92,504 Tonnen über die stets gepflegten beiden Bahnen. Zudem wurde von diversen Klubs fleissig trainiert. Plausch- und Vereinsanlässe strapazierten die Anlage zusätzlich. Bis zu 460 lizenzierte Kegler kämpften um Meisterehren während ded drei Wochen dauernden Meisterschaften. Mit 8 Kegeln als Schnitt wurden Spitzenresultate erreicht. Darunter auch etliche vom Gastgeber selber. Oski begann ganz der Stettler-Dynastie entsprechend mit 15 Jahre zu kegeln. Und durfte sowohl regional wie auch schweizerisch regelmässig aufs Treppchen, sei es als Sieger, Vize oder Drittrangierter.

Geht nicht – gibt es nicht

«Selbst ist die Frau», dieses Motto passt bestens zur Powerfrau Lieseli an der Seite von Oski Stettler. Trotz oder gerade wegen der traurigen Kindheit als Jenische, in jungen Jahren fürsorgerisch in Kinderheimen untergebracht und ohne Lehre. «Wir waren 16 Kinder, eine einzige Schwester durfte etwas lernen, weil sie eine reiche Gotte hatte», sagt Lieseli ohne Bitterkeit. «Ich habe viel aus meinem Leben gemacht und bin stolz darauf!» Sie liebt Menschen, ist eine gute Zuhörerin, hat keine Berührungsängste und hilft in vielen Situationen. «Hilf dir selbst» habe sie auch gedacht, als ein Gast sie an einer Stubete angriff, an der Kehle packte und in die Höhe hob. Den nachfolgenden Polizeieinsatz goutierte Oski – zurück von seinem Kegeleinsatz – erst gar nicht, bis er die ganze Geschichte erfuhr. Als Gast in Zivil war aber der damalige Postenchef von Root ab und zu im Winkel. In ein Gespräch mit Lieseli vertieft, meldete sich seine Frau mit der Bitte, doch sein Smartphone auszuschalten. Denn sie höre jedes Wort mit.

Ruhigere Kugel und Unruhestand

Gute Erinnerungen, Geschichten zum Schmunzeln, aber auch solche zum Nachdenken werden die ehemaligen Wirtsleute im neuen Lebensabschnitt begleiten. Oski pflegt weiterhin seine grosse Leidenschaft, das Kegeln. Und hat sich vorgenommen, viel mit dem Velo unterwegs zu sein. Für Lieseli trifft eher der Unruhestand zu. Sie hat bereits wieder einen Teilzeitjob angenommen, steht als Service-Aushilfe zur Verfügung. Mit dem Einstieg in die Sterbebegleitung möchte sie sich einen ursprünglichen Berufswunsch wahr werden lassen. Ein Pflegeberuf war einst ihr Berufsziel.

Marlis Jungo

Ein letztes Bild mit dem ehemaligen Wirtepaar Oski Stettler und Lieseli Reding in «Oskis Schmuckstück», der zweibahnigen Kegelbahn im Gasthaus Winkelried in Root.