Luzerner Polizei: Regierungsrat ordnet Polizeiführung neu
Der Regierungsrat hat beschlossen, die Funktionen in der
Geschäftsleitung der Luzerner Polizei zu entflechten und neu zu
ordnen. Er zieht damit Konsequenzen aus einem externen
Untersuchungsbericht. Die neue Führungsstruktur ergänzt bereits
eingeleitete Massnahmen, welche die Organisationsentwicklung auf
Führungsebene, die Grundlagen der Polizeiarbeit sowie einzelne
Arbeitsverhältnisse betreffen.
Im Auftrag der Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektorin Yvonne
Schärli-Gerig hat der unabhängige Rechtsexperte Dr. iur. Jürg
Sollberger seit Anfang Juli 2013 diverse Vorkommnisse in der Luzerner
Polizei untersucht. Im Raum standen unter anderem Vorwürfe
ungerechtfertigter Polizeigewalt.
In den letzten Wochen hat sich der Luzerner Regierungsrat intensiv
mit dem Schlussbericht Sollbergers befasst. Regierungspräsident Guido
Graf und Justiz- und Sicherheitsdirektorin Yvonne Schärli-Gerig
legten heute an einer Medienorientierung dar, welche Konsequenzen das
Justiz- und Sicherheitsdepartement und der Regierungsrat aus ihrer
Analyse der Verhältnisse bei der Luzerner Polizei ziehen:
1. Neuordnung der Polizeiführung: Die Zuständigkeiten und Kompetenzen
der Geschäftsleitung werden entflochten. Dem Kommandanten wird
künftig ein vollamtlicher stellvertretender Kommandant zur Seite
stehen. Die Doppelfunktion stellvertretender
Kommandant/Abteilungsleiter wird aufgehoben.
Die höchsten Kader der Luzerner Polizei werden künftig auf Vorschlag
des Kommandanten durch die Vorsteherin des Justiz- und
Sicherheitsdepartements gewählt.
2. Neue Kraft an der Spitze: Der Regierungsrat und Kommandant Beat
Hensler sind übereingekommen, die Reorganisation mit einer neuen
Kraft an der Spitze der Luzerner Polizei umzusetzen. Hensler wird
seine Funktion per 15. Dezember 2013 in gegenseitigem Einvernehmen
abgeben. Über die Vereinbarungsdetails haben die Parteien
Stillschweigen vereinbart.
Der Regierungsrat dankt Beat Hensler für die geleisteten Dienste. Das
Führen des rund 900 Personen starken Korps, verbunden mit komplexen
operativen und strategischen Abwägungen, das Agieren im Lichte der
Öffentlichkeit und in einem stark politisch geprägten Umfeld machen
die Funktion des Polizeikommandanten zu einer sehr anspruchsvollen
Führungsaufgabe im Kanton. Beat Hensler hat die Luzerner Polizei in
den letzten zehn Jahren insgesamt sehr gut geführt und sich auch
national grossen Respekt erworben.
Die Führungsdefizite in gewissen untersuchten Fällen führten aber zu
einem Vertrauensverlust sowohl in Teilen des Korps als auch bei
seinen politischen Vorgesetzten, was Beat Hensler eine erfolgreiche
Weiterführung des Kommandos verunmöglicht.
3. Interimslösung: Die neu strukturierten Stellen des Kommandanten
und stellvertretenden Kommandanten werden zur Neubesetzung
ausgeschrieben. Bis zum Stellenantritt der neuen Kommandantin/des
Kommandanten wird die Luzerner Polizei interimistisch durch lic. iur.
Adi Achermann, Leiter Zentrale Dienste der Oberstaatsanwaltschaft
Luzern, geführt. Achermann ist 49 Jahre alt, wohnt in Rothenburg und
war seit 2007 Stabschef und Leiter Zentrale Dienste der
Staatsanwaltschaft. Von 1999 bis 2006 war er Kantonaler
Untersuchungsrichter für den Bereich Organisierte Kriminalität.
Einzelne Massnahmen sind bereits umgesetzt
Die aktuelle Reorganisation der Führungsebene vervollständigt ein
umfassendes Massnahmenpaket zur Verbesserung von Strukturen und
Abläufen bei der Luzerner Polizei. Das Justiz- und
Sicherheitsdepartement hat bereits im Sommer den Regierungsrat über
verschiedene Aufträge an die Geschäftsleitung der Luzerner Polizei
informiert. Der Regierungsrat hat in zustimmendem Sinn davon Kenntnis
genommen. Hinzu kamen am 16. August die Empfehlungen von Jürg
Sollberger, die ebenfalls vom JSD weiter ausgearbeitet und als
Auftrag zur weiteren Ausführung an die Geschäftsleitung übergeben
wurden. Einzelne Massnahmen sind bereits umgesetzt, Justiz- und
Sicherheitsdirektorin Yvonne Schärli bilanzierte den Stand heute wie
folgt:
– Ermittlung gegen eigene Mitarbeitende: Die Rolle der
Staatsanwaltschaft wurde gestärkt, eine Kooperations-Vereinbarung mit
dem Kanton Aargau ist in Erarbeitung, eine Administrativkommission
begleitet die Fälle.
– Überarbeitung der Richtlinien für Beförderungen und
Stellenbesetzungen: Auskunftspflicht für Funktionsänderungen und
Stellenbesetzungen; Straffälle der letzten 5 Jahre sind zu
deklarieren; Stellenanträge am mittlerem Kader gelangen an die
Geschäftsleitung; Wahlbeschlusskopie ans JSD
– Null-Toleranz bei grundloser Gewalt durch Polizeiangehörige
– Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Verband Luzerner Polizei
– Überprüfung Ständiger Präsenz- und Interventionsdienst
(Schlussbericht bis Ende Mai 2014)
Personalrechtliche Massnahmen in zwei Fällen
Als externer Gutachter hat der Berner alt Oberrichter Jürg Sollberger
in seiner Administrativuntersuchung 46 Vorgänge bei der Luzerner
Polizei überprüft. Vor wenigen Wochen legte er dem Regierungsrat
einen Schlussbericht vor. Sollbergers Befund zufolge kommt es bei der
Luzerner Polizei nicht häufiger als in anderen Korps zu
problematischen Situationen, hingegen gebe es Mängel beim Umgang mit
solchen Situationen. In vier von acht als erheblich eingestuften
Fällen beanstandet Sollberger die Reaktionen des Kommandanten. Er
stellt grundsätzliche Defizite im Arbeits- und Führungsverhalten der
Geschäftsleitung der Luzerner Polizei fest und konstatiert auch einen
„Vertrauensschwund“ zwischen dem Polizeikommandanten und der Justiz-
und Sicherheitsdirektorin. Der Kommandant habe die Regierungsrätin
über relevante Vorgänge teils „ungenügend oder gar nicht orientiert“.
In zwei in den Medien dargestellten Fällen von ungerechtfertigter
polizeilicher Gewalt wurden personalrechtliche Konsequenzen gezogen:
Der Mitarbeiter, der am Weihnachtsabend 2010 gegenüber seiner
Freundin gewalttätig war, wird eine Stabsstelle auf Stufe
Fachbearbeiter (Zivilangestellter ohne Grad und
Führungsverantwortung) antreten. Seine Suspendierung wird aufgehoben.
Im Falle des Geschäftsleitungsmitglieds, das seit April 2012
krankgeschrieben ist, wurde eine Vereinbarung zur Auflösung des
Arbeitsverhältnisses getroffen.
Meldestelle: Meldungen decken sich mit Befund Sollbergers Neben dem
Schlussbericht Sollberger hat der Regierungsrat den Bericht der
Meldestelle Swissmediation entgegengenommen, welche auf Veranlassung
des Justiz- und Sicherheitsdepartementes eingerichtet worden war. Bei
der Meldestelle haben bis im November 2013 sechs Personen,
überwiegend Angehörige des Polizeikorps, Meldungen zu insgesamt 20
Themen eingereicht. Sie betrafen primär Führungsmängel und
Differenzen in der Geschäftsleitung. Es sei erkennbar, dass Konflikte
nicht befriedigend gemanagt würden, resümiert Swissmediation.
Inhaltlich entsprechen die Meldungen den von Sollberger untersuchten
Fällen.