Reaktionen zum Sagenmatt-Entscheid

Das Ebikoner Stimmvolk hätte am kommenden Sonntag an der Urne über das Sagenmatt-Projekt befinden sollen. Nun wurde die Abstimmung wegen Formfehler abgesagt. Das sagen der Gemeinderat, Befürworter und Gegner zu diesem Entscheid.

Daniel Gasser, Gemeindepräsident Ebikon

Der Regierungsrat ist nicht auf Stimmrechtsbeschwerde eingetreten, trotzdem sagt der Gemeinderat die Abstimmung ab. Warum?

Daniel Gasser: Es ist nicht der Gemeinderat, welcher die Abstimmung zur Sagenmatt-Überbauung absagt. Die Absage ist ein aufsichtsrechtlicher Entscheid des Regierungsrates, welcher auf Formfehler in der Kurzversion der Abstimmungsbotschaft zurückzuführen ist. Wir bedauern dies sehr.

Es ist dann aber schon sehr ungewöhnlich, eine derart umstrittene Abstimmung so kurzfristig abzusagen, oder?

Gasser: Eine Abstimmung derart kurzfristig abzusagen ist für alle Beteiligten sehr unangenehm. Dies besonders, weil wir der Meinung sind, dass die Gemeinde dringend ein positives Signal nach aussen braucht. Eine weitere Parzelle im Zentrum, welche über Jahre brach liegt, wäre eine ganz schlechte Visitenkarte. Ungewöhnlich ist das Vorgehen aber keineswegs: Der Regierungsrat kann jederzeit Abstimmungen absagen, sieht er die Legitimität von Abstimmungsergebnissen in Frage gestellt.

Es werden Stimmen laut, die vermuten, dass der Gemeinderat eine weitere Niederlage (Anm. d. Red.: Weichle) befürchtete und die Abstimmung deshalb vorzeitig abgesagt hat. Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen?

Gasser: Der Gemeinderat befürwortet zwar die Sagenmatt-Überbauung und ist überzeugt, dass dieses Projekt für Ebikon einen Mehrwert darstellt. Doch es ist das Ebikoner Stimmvolk, welches darüber entscheidet, ob dieses Projekt umgesetzt werden soll oder nicht. Wir waren bis gestern Nachmittag guter Dinge, dass die Vorlage eine Mehrheit überzeugt. Die Vermutung, wir wollten eine Abstimmungsniederlage abwenden, ist natürlich absoluter Unsinn.

Wie geht es weiter mit Sagenmatt?  Was muss nun gemacht werden, dass die Abstimmung neu angesetzt werden kann? In welchem Zeitraum kann man mit einem neuen Datum rechnen?

Gasser: Wir werden die Abstimmung nachholen und prüfen derzeit, per wann diese angeordnet werden kann. Die nächsten Abstimmungstermine sind November 2020 oder März 2021.

Wird Ebikon sein Abstimmungsbotschaft-Modell grundsätzlich überdenken müssen? Sind die „lange und die kurze Version“ vielleicht doch nicht der richtige Weg?

Gasser: Die Kurzversion hat die Absicht bedarfs- und bedürfnisorientiert zu informieren. Die Detailversion geht über 68 Seiten mit zusätzlichen 44 Seiten Anhang. Neben unserem Versuch, die Informationsbedürfnisse der Stimmbevölkerung bestmöglich zu bedienen, ist es schliesslich auch eine Kostenfrage, ob 9000 Kurz- oder Detailversionen einer Botschaft gedruckt werden. Nach diesem Entscheid des Regierungsrats werden wir die formale Gestaltung der Abstimmungsbotschaft des Gemeinderats auf jeden Fall überprüfen.

Bernadette Kurmann, IG „Bauen statt klotzen“

Am Dienstagabend wurde die Abstimmung zu Sagenmatt abgesagt. Wie haben sie diesen
Entscheid aufgenommen?

Bernadette Kurmann: Der Entscheid des Regierungsrates ist für mich ein Sieg für unsere Demokratie und unseres Rechtssystems. Der Entscheid zeigt, dass der Regierungsrat die politischen Rechte hoch einschätzt. In der Tat sind sie die Grundlage unseres Rechtssystem. Der Entscheid ist ein Lehrstück über die gut funktionierende Demokratie in der Schweiz. Deshalb bin ich gerne Schweizerin, deshalb macht mich dieser Entscheid glücklich.

Auf die Stimmrechtsbeschwerde wurde vom Regierungsrat nicht eingetreten. Nichts desto trotz wird die Abstimmung nun wegen Formfehler abgesagt. Sind Sie zufrieden mit dieser Entscheidung?

Kurmann: Mir tut es leid, dass es so weit kommen musste. Doch Botschaften sind die Entscheidungsgrundlage für die Abstimmung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Der Gemeinderat muss darin umfassend und wahrheitsgetreu informieren. Uns Beschwerdeführern ist ein Formfehler unterlaufen. Wir hatten die Stimmrechtsbeschwerde einen halben Tag zu spät abgegeben. Die Fehler in der Botschaft, die wir kritisiert haben, waren jedoch so offensichtlich, dass der Regierungsrat von seiner Funktion als Aufsichtsbehörde Gebrauch gemacht hat. Das macht er nur wenn „schwerwiegende Mängel“ vorliegen.

Wie haben Sie die Stimmung eingeschätzt: Kommt es Ihnen gerade recht, dass der
Abstimmungskampf verlängert wird oder wären Sie für diesen Sonntag zuversichtlich gewesen?

Kurmann: Als Nachbarn der Sagenmatt waren wir aufgefordert, uns mit dem Projekt Sagenmatt auseinanderzusetzen. Dabei haben wir festgestellt, dass gemogelt und getrickst wird. Das fanden wir problematisch. Über das Projekt kann man geteilter Meinung sein: Die einen wünschen sich dort eine Wohnung, die Nachbarn stört die die überdimensionierte Bauweise. Uns ging es um mehr. Wir wollten als Stimmbürgerin und Stimmbürger ernst genommen werden. Der Gemeinderat hätte z.B. sagen können: „Schaut her, auf der Sagenmatt entsteht ein tolles Quartier für Ebikon. Deshalb haben wir der Bauherrin aussergewöhnliche Zugeständnisse gemacht.“ Aber nein, er hat verniedlich, beschönigt und falsch kommuniziert. Das ist gegen die Regeln der Rechtsstaatlichkeit, und wir haben uns gewehrt. Der Regierungsrat hat diese Mängel in der Botschaft ebenfalls erkannt und hat entsprechend gehandelt.

Was muss die Gemeinde Ebikon nun aus Ihrer Sicht anders machen vor dem nächsten
Abstimmungstermin?

Kurmann: Der Gemeinderat darf jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen und einfach eine neue Abstimmungsbroschüre vorbereiten. Korrekt wäre, er würde alle Ebikonerinnen und Ebikoner bezüglich Baumöglichkeiten gleich behandeln. Dafür müsste er endlich das neue Bau- und Zonenreglement zur Abstimmung bringen und nicht länger zurückhalten. Grossprojekte wie die Sagenmatt müssten sich in dieses neue Bau- und Zonenreglement einfügen und sollten keine Sonderbehandlung erhalten. Das wäre eine Vorgehensweise, die meinem demokratischen Rechtsempfinden entspricht.

Christian Grewe, Projektleitung Sagenmatt

Gestern wurde die Abstimmung zum Sagenmatt-Projekt vom Gemeinderat abgesagt. Können Sie diesen Schritt des Gemeinderates nachvollziehen?

Christian Grewe: Wir waren in der Tat konsterniert, als uns die Gemeinde gestern über den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern informiert hat – fünf Tage vor dem
Abstimmungswochenende. Wir vertrauen aber darauf, dass der Gemeinderat in Kenntnis
aller Fakten richtig reagiert hat.

Auf die Stimmrechtsbeschwerde der Gegner wurde nicht eingetreten – und doch wird es am Sonntag keine Abstimmung zu Sagenmatt geben. Ärgert Sie das?

Grewe: Wir finden es höchst bedauerlich, dass ein so vorbildlich vorbereitetes Bauvorhaben kurz vor der Abstimmung durch die Ebikoner Stimmbevölkerung aus rein formalen Gründen einen Rückschlag erleidet. Leidtragende sind nicht zuletzt fast 400 Familien, Paare und
Einzelpersonen, welche bereits vor der Abstimmung konkretes Interesse am Wohnangebot
Sagenmatt angemeldet hatten.

Wie haben Sie die Stimmung eingeschätzt: Kommt es Ihnen gerade recht, dass der
Abstimmungskampf verlängert wird oder wären Sie für diesen Sonntag zuversichtlich gewesen?

Grewe: Aufgrund von Rückmeldungen aus der Bevölkerung und vieler persönliche Gespräche mit Ebikonerinnen und Ebikonern hatten wir uns für die Abstimmung sehr gute Chancen ausgerechnet.

Wie geht es nun für Sie weiter? Werden Sie Rekurs gegen diesen Entscheid des Gemeinderates einreichen?

Grewe: Der Gemeinderat hat unseres Wissens auf Weisung des Regierungsrates gehandelt. Ein Rekurs würde übrigens faktisch nichts mehr bewirken, nachdem die Abstimmung abgesagt wurde. Wir blicken aber zuversichtlich auf einen erneuten Urnengang. Des Regierungsrats bemängelt nicht das Bauvorhaben Sagenmatt als solches, sondern Formfehler in den Abstimmungsunterlagen der Gemeindeverwaltung. Und die positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, die vielen aktiven Befürworter und die breite Unterstützung seitens der Ortsparteien geben viel Mut für einen zweiten Anlauf.

Interviews: Sara Häusermann