„Kinder sollen lernen, nein sagen zu dürfen“

Vor rund zwei Wochen wurden Kinder in Adligenswil auf dem Schulweg von einem fremden Mann angesprochen. Wir haben mit dem Schulsozialarbeiter von Adligenswil – Alex Ehliger – gesprochen, wie sich Kinder und Eltern in solchen Situationen verhalten sollten und was im Rahmen der Schule für die Prävention getan wird.

Vor zwei Wochen wurden Kinder auf dem Schulweg von einem fremden Mann
angesprochen. Die Vorfälle führten auch auf den sozialen Medien zu hitzigen
Diskussionen. Haben Sie als Schulsozialarbeiter davon was zu spüren bekommen? Haben Schüler und/oder Eltern mit Ihnen das Gespräch gesucht?

Alex Ehliger: Einzelne Kinder haben mich auf den Vorfall angesprochen. Ich schloss daraus, dass die Eltern das Thema mit ihnen besprochen haben und die Kinder sensibilisiert sind. Die Lehrpersonen haben das Thema altersentsprechend mit den Kindern zeitnah
besprochen. In unserer Schule wird die Thematik auch im Rahmen der Prävention
regelmässig aufgegriffen. Dies gibt den Kindern Klarheit und Sicherheit. Ebenso den
Eltern. Der Vorfall wurde ernst genommen, ohne dass Panik spürbar wurde.

Wie sollten Eltern auf einen solchen Vorfall reagieren? Welche Art von Gespräch sollte entstehen, wenn das Kind zuhause von einem solchen Vorfall erzählt?

Ehliger: Zeit haben für die Kinder. Sie ernst nehmen, ohne in Panik zu verfallen. Dem Kind
vermitteln, dass es ihnen alle Erlebnisse erzählen kann. Auch jene die komisch und
beängstigend sind. Auch jene Geheimnisse, wenn es zum Beispiel mal nicht gehorcht hat
(bspw. einen falschen Schulweg genommen hat). Die Offenheit der Kinder fördern, damit
sie sich getrauen auch unangenehme Dinge zu erzählen.

Einige Kinder haben erst auf Nachfrage davon berichtet. Warum ist das so? Warum erzählen Kinder zuhause nicht von sich aus von solchen Ereignissen?

Ehliger: Wichtig als Eltern ist, solche Themen nicht nur zu besprechen, wenn etwas passiert ist, sondern auch wenn ruhige Zeiten sind. Dort wo Kinder spüren, dass man mit ihnen über ihre Erlebnisse und Sorgen spricht, können sie auch eher darüber sprechen, wenn etwas passiert ist. Über Unangenehmes reden können, muss man üben und vorleben.

Was wird in der Schule zur Prävention gemacht?

Ehliger: Nebst dem Verkehrsunterricht im Strassenverkehr, weiss ich von Kindern, dass auch der Polizist ihnen beibringt: Nicht mit Fremden mitgehen und Herz und Bauchgefühle ernst nehmen. Dies üben die Lehrpersonen mit den Kindern vom Kindergarten an. Die Kinder lernen bereits im Kindergarten, dass sie Nein sagen dürfen. Auch gegenüber
Erwachsenen. Sie lernen, dass es gute und schlechte Geheimnisse gibt und dass man bei den schlechten Geheimnissen sich Hilfe holen soll. In der 3.und 4. Klasse führen wir seit
mehr als 7 Jahren das Präventionsprojekt «Mein Körper gehört mir!» durch, ein Angebot von Kinderschutz Schweiz. Dieses richtet sich an Kinder von 7 bis 9 Jahren sowie deren Lehr- und Bezugspersonen und Eltern. Dieser bewährte Parcours besteht aus sechs Stationen, an denen Primarschülerinnen und -schüler spielerisch lernen, selbstwirksam zu handeln, die eigenen Gefühle einzuordnen und Grenzüberschreitungen zu erkennen. Es gäbe noch andere Beispiele.

Wie können Eltern ihre Kinder auf solche Sachen vorbereiten?

Ehliger: Kinder sollten im Alltag Respekt erfahren und Selbstvertrauen entwickeln können. Sie sollen lernen auch gegenüber Erwachsenen nein sagen zu dürfen. Damit sie lernen, wann sie nein sagen dürfen: beispielsweise was ihren Körper angeht. Weiter sollen die Eltern mit ihren Kindern über Pünktlichkeit sprechen und den Schulweg üben. Es ist wichtig, dass Kinder wissen, welche Personen ihnen helfen können, wenn es schnell gehen muss (bspw. Nachbarn, Verkäuferin im Laden, Gschpänli). Wo gibt es Rettungsinseln, wenn das Kind Angst hat, wo kann es zum Beispiel läuten gehen oder Hilfe holen.

Welche Rolle spielt das Alter der Kinder in der Prävention?

Ehliger: Wie schon gesagt, lernen Kinder schon im Kindergarten darüber zu sprechen, was sie beschäftigt. Eine Sprache zu finden was Angst macht, was Freude. Gefühle benennen zu
können. Altersangepasst gehen diese Prävention Themen weiter. Die Volkschule hat die
Gesundheitsprävention und die psychische Gesundheit im Lehrplan, bis in die Oberstufe. Unsere Schulsozialarbeit ist auch ein Pfeiler im Kinder- und Jugendschutz. Kinder dürfen
und sollen sich helfen lassen, wenn sie Probleme haben.

Interview: Sara Häusermann