Leserbrief

Von eritreischen Asylsuchenden, Integration und Menschenrechten

Ich habe vor ein paar Jahren als IKRK-Delegierter in Eritrea die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung untersucht und Gefangenenlager besucht. Was ich gesehen habe, beschäftigt mich noch heute: Zwangsarbeit, Unterdrückung und Züchtigung von jungen Menschen unter dem Deckmantel der allgemeinen Dienstpflicht. Viele junge Menschen verbringen fünf oder zehn Jahre in regelrechten Züchtigungslagern. Davor zu fliehen ist menschlich. Wer erwischt oder zurückgeschickt wird, dem droht hingegen eine unmenschliche Strafe. In diesem Klima der Repression denken FDP-Vertreter laut nach über die Rückschaffung von Eritreern, die bei uns Schutz gefunden haben. Ich schäme mich als Schweizer dafür. Es stimmt: Eritreer kosten. Sie sind häufig von der Sozialhilfe abhängig. Denn sie sind oft traumatisiert und mangelhaft integriert. SVP-Vertreter behaupten deswegen, dass viele Gemeinden die Sozialhilfekosten von vorläufig aufgenommenen Personen aus Eritrea nicht mehr tragen könnten. Falsch. Denn gestützt auf Art. 88 ff. Asylgesetz und die Ausführungsbestimmungen übernimmt der Bund die Sozialhilfekosten für solche Personen in der Regel sieben Jahre lang. Der Bund finanziert auch deren Integration. Die Gemeinden und Kantone erhalten also Zeit und Geld, um Eritreer mit Integrationsmassnahmen von der Sozialhilfe in die Erwerbstätigkeit zu begleiten. Leider stört sich die SVP auch an den Integrationsprogrammen. Als Fachreferent im Bundesamt für Migration war ich für die Revision der Integrationsgesetzgebung zuständig und komme zu folgendem Schluss: Wer Sozialhilfeabhängigkeit anprangert und gleichzeitig Integrationsprogramme bekämpft, betreibt puren Populismus auf dem Rücken der Schwächsten, statt Lösungen zu finden. In diesem angespannten System bringen SVP-Exponenten eine weitere Idee ins Spiel: Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) soll nun nicht gekündigt, sondern lediglich «abgeändert» werden. Sie soll weiterhin gelten, aber bitte nicht für Asylsuchende und Ausländer…Wo bleibt bei solchen Ideen das historische Verständnis und Gewissen? Menschenrechte sind Menschenrechte, weil sie für alle universell gelten. Nicht nur für Schweizer. Ich fordere die rechtsbürgerlichen Migrationspolitiker zu mehr Menschlichkeit auf – zu echten Lösungen, statt Irreführung und Populismus.

Sandor Horvath, ehemaliger Delegierter des IKRK in Eritrea, ehemaliger Fachreferent im Bundesamt für Migration, Ethnologe und Rechtsanwalt, Ebikon