«Der Druck in der Arbeitswelt ist gestiegen»

IV-Direktor Donald Locher im Interview mit unserer Zeitung. Bild apimedia.

Immer mehr Neurenten sind psychisch bedingt. Das steigert den Druck auf die Arbeitgeber, wie Donald Locher, Direktor der IV-Stelle Luzern, im Interview mit unserer Zeitung erklärt.

Das Interview führte Alex Piazza

Donald Locher, was tut eigentlich die IV-Stelle Luzern?

Unser Hauptauftrag besteht darin, Menschen mit Beeinträchtigung erfolgreich in den Arbeitsmarkt einzugliedern respektive im Arbeitsmarkt zu behalten. Die Instrumente, die uns der Bund hierfür in den vergangenen Jahren zur Verfügung gestellt hat, beginnen zu greifen. 2016 konnten wir erneut fast 1200 Personen eingliedern. Wir legen Wert darauf, dass sich die Versicherten bei uns gut aufgehoben und ernst genommen fühlen. 

Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?

Er ist erstens Ausdruck einer intensiven Sensibilisierungsarbeit bei den Unternehmen. Immer mehr Firmen aus der Umgebung sind bereit, betroffenen Menschen eine Rückkehr in den Arbeitsprozess zu ermöglichen. Als Anerkennung für ihr vorbildliches Engagement haben wir vor vier Jahren den IV-Award eingeführt. Zweitens haben wir unsere Eingliederungsprozesse gestrafft. Die Betreuung der versicherten Person erfolgt in der Regel aus einer Hand. Den Arbeitgebern teilen wir eine feste Ansprechperson zu. 

Dennoch verbinden die meisten Leute die IV mit der Auszahlung von Renten.

Hier liegt der zweite Schwerpunkt unserer Arbeit. Ziel ist es, die wirtschaftlichen Folgen einer gesundheitlich bedingten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zu vermindern oder zu beseitigen. Wir schauen deshalb sehr genau hin und treffen – gerade bei Neurenten – detaillierte Vorabklärungen. Allfällige Versicherungsmissbräuche bekämpfen wir mit einem eigenen Team. 

Stimmt der Eindruck, dass immer mehr Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung IV-Leistungen beanspruchen?

Gesamtschweizerisch sind rund 40 Prozent aller Neurenten psychisch bedingt. Diese Zahl ist seit Jahren stabil. Dafür gehen alle anderen Neurenten zurück. Die Gründe für die psychischen Erkrankungen liegen auf der Hand: Der Druck und die Anforderungen in der Arbeitswelt sind gestiegen. Bei Jugendlichen spielen auch Cybermobbing und die allumfassende Erreichbarkeit eine wesentliche Rolle. Der Umgang mit solchen Problemen ist für die Arbeitgeber extrem anspruchsvoll.

Für eine erfolgreiche Wiedereingliederung sind Sie auf die Mithilfe der Wirtschaft angewiesen. Inwiefern profitiert eine Firma, die Menschen mit einer Beeinträchtigung beschäftigt?

Wir bieten den Firmen so genannte «Arbeitsversuche» an. Sie können eine Person während einer bestimmten Zeit testen. Wenn das Arbeitsverhältnis zur Zufriedenheit beider Parteien verläuft, kann die Firma die Person fest anstellen. Alle Menschen, die wir vermitteln, sind von uns gesundheitlich abgeklärt. So weiss der Betrieb, was auf ihn zukommt.

Und was bringt die Wiedereingliederung den betroffenen Erwerbstätigen?

Sie spüren, dass sie gebraucht werden und sind stolz, ein Teil der Arbeitswelt zu sein. Zudem haben sie einen strukturierten Tagesablauf. Das steigert das Selbstwertgefühl und das Wohlbefinden der betroffenen Personen.

IV-Direktor Donald Locher im Interview mit unserer Zeitung. Bild apimedia.

Die IV Luzern in Kürze

api. Die Invalidenversicherung (IV) des Kantons Luzern ist eine selbständige, öffentlich-rechtliche Anstalt mit einem Jahresumsatz von 320 Millionen Franken. Sie kümmert sich in erster Linie um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sowie um die Bezahlung von Renten für erwerbsunfähige Menschen mit einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung. Die IV unterstützt betroffene Personen aber auch bei der Finanzierung von Rollstühlen, Treppenliften, Badezimmerumbauten oder Türverbreiterungen in der Privatwohnung sowie mit Hilflosenentschädigungen, Taggeldern oder Assistenzbeiträgen. Zurzeit beschäftigt die IV-Stelle Luzern an ihrem Sitz an der Landenbergstrasse 35 rund 175 Mitarbeitende, darunter 50 Eingliederungsfachpersonen, 25 Ärzte und 15 Juristen. Ausserdem werden sechs Lernende ausgebildet.