«Sehnsucht nach der verlassenen Heimat»

LUZERN – Normalerweise tritt das Stadtorchester Luzern im Frühling im Konzertsaal des KKL und im Herbst in einer Kirche auf. Heuer kehrt es das Konzertprogramm um und verändert das Ganze noch ein wenig.

Das bedeutet: Die Albert-Koechlin-Stiftung führt in diesem Frühling zum fünften Mal ein Kulturprojekt in der Innerschweiz durch, diesmal zum Thema «Sehnsucht». Das Luzerner Stadtorchester wurde – neben 22 anderen Kulturschaffenden – mit dem eingereichten Projekt «Sehnsucht nach der verlassenen Heimat» zur Mitwirkung ausgewählt und tritt damit am 1. Mai mit zwei Konzerten in einer Bushalle der Heggli AG in Kriens auf.

Mit literarischer Unterstützung thematisiert das Orchester die Zerrissenheit zwischen dem Hier und dem Dort von Migranten. Migration beschäftigt wegen der Flüchtlingsproblematik derzeit einfache Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Betroffene in Politik und Behörden. Menschen aus andern Kulturen spüren einerseits den Druck, sich in die hiesige, ihnen fremde Kultur zu integrieren, anderseits quält sie, oftmals unterdrückt, die Sehnsucht nach dem Vertrauten der alten Heimat.

Unter der Leitung des rumänischen Dirigenten Dan Covaci-Babst setzt das Stadtorchester diese Zerrissenheit in einem Konzert mit sehnsuchtsvoller ost- und nordeuropäischer Musik um: mit Werken von Komponisten, deren Heimat unter einer fremden Herrschaft leiden oder die ihre Heimat verlassen mussten (J. Sibelius, B. Bartok, B. Smetana). Sehnsucht wird durch Musik im klassisch-folkloristischen Stil auch vom rumänischen Komponisten C. Arvinte in seiner Panflöten-Suite ausgedrückt oder durch Volklieder, welche die Sopranistin Madelaine Wibom aus ihrer schwedischen Heimat bringt und singt. Zwischen den Musikwerken liest der Schriftsteller Catalin Dorian Florescu, Träger des Schweizer Buchpreises 2011, Textfragmente aus seinen Romanen und Essays. Er ist als Jugendlicher 1982 aus Rumänien geflüchtet und lebt seither in der Schweiz. Das Thema «Wegzug aus der Heimat» hat er in seinen Büchern mehrfach aufgegriffen.

Die Carhalle der Firma Heggli als Aufführungsort mag befremdend erscheinen, jedoch ist gerade sie ein Ort, wo die Gefühle rund um Fern- und Heimweh, um Zollgrenzerfahrungen und Willkommenskultur angesiedelt sind und wo Erwartungen und Träume von Einheimischen und Fremden aufeinander treffen.
Eine vielseitige Annäherung an das Thema in einer speziellen Lokalität lässt auf ein spannendes Konzert schliessen.