Hans Christen: «Trotz Handicap bleibt die Lust zum Malen»

Das Bild «Dampfschiff Stadt Luzern» ist 2016 entstanden.

Der 75-jährige Hans Christen verblüfft immer wieder mit neuen Bildern. Mit Oel auf Leinwand drückt er Landschaften, Porträts, markanten Ereignissen oder neustens auch Dampfschiffen seinen eigenen Stempel auf. Wobei Malen für ihn nicht Erholung, sondern allerhöchste Anstrengung ist: Die Spastische Lähmung fordert ihn bei seinem Hobby extrem.

«Nein, Jammern will ich nicht, nach den vielen Operationen ist es für mich ja doppelte Therapie, Kunst und mein Handicap zu vereinen, mit stetiger Selbstüberwindung ans Ziel zu kommen, das Bild zu beenden und jemandem Freude zu bereiten», sagt er.

Und legt den Pinsel in seinem Atelier in der Wohnung am Unterdorfweg 8 in Buchrain kurz zur Seite. Sofort spürt man seine Freude am Malen, seinen Willen, sich selber viel abzuverlangen und seine Sicht auf Wesentliches zu werfen. Und in den nebenan hängenden Landschaftsbildern ist seine tiefe Liebe zur Natur auszumachen.

Akribisch, peinlich genau, ohne jedes Hilfsmittel will er die Werke vollenden, was natürlich viel, viel Zeit beansprucht. «Die habe ich ja, die ist mir gegeben, bei mir eilt es nicht, kann es auch nicht», sagt er mit einem ungekünstelten Lächeln.

Trotz Handicap mit stets starken Schmerzen verspürt Hans Christen vermehrt Lust zum Malen. «Das hilft mir über Vieles hinweg.» Bilder: rowi.

Leben mit cerebraler Gehbehinderung

1944 in Luzern mit Spastischer Lähmung -cerebraler Gehbehinderung- zur Welt gekommen, an der Bernstrasse und dem Stollberg aufgewachsen, ist Hans Christen seit dem ersten Lebenstag handicapiert. Das Geburtsgebrechen hinderte ihn aber nicht, seinen eigenen Weg zu gehen. Als 16-jähriger beginnt er in der Viscosi zu arbeiten, schafft es zum Mechaniker, absolviert die Fachprüfung und leitet fortan in der Abteilung Nylon66 den Finissage-Unterhalt. Und so nebenbei entsteht ein erstes Bild, das er seiner ersten Tochter widmet. «Das weckte in mir die Lust zum Malen, trotz meiner Gehbehinderung dominierte die Freude.» Trotz seiner langjährigen, schmerzhaften Krankheit findet er in der Malerei einen guten Ausgleich.

Doch er will Pinsel und Leinwand etwas in die Ecke stellen, um sich mehr seiner Familie zu widmen. 1980 nimmt er sein Hobby wieder auf und ein Jahr später kann er im Alterszentrum Staffelnhof in Reussbühl erstmals Bilder präsentieren. Bis 2002 ist er an vielen Ausstellungen zu Gast, in Galerien, am Konscht-Häppening in der Seeburg zu Luzern, in der Freizeitkunst-Ausstellung in Muri oder im ehemaligen Café City in Ebikon wie auch bei Firmen oder in Restaurants sind seine Werke gefragt. 1995 nimmt sein Leben eine Wende, vieles muss er umstellen: Die Lähmung verbreitet sich, die Krankheit schreitet voran, er muss seine geliebte Arbeit aufgeben, mit 51 Jahren ist sein Berufsweg zu Ende.

Das Bild «Dampfschiff Stadt Luzern» ist 2016 entstanden.

Nicht zu Ende aber ist sein Wille, es folgen vermehrte Therapien, Operationen zu Hauf, Spitalaufenthalte. Sein schöpferisches Wirken liegt brach, immer wieder nimmt er einen Anlauf. Denn trotz seiner langjährigen, schmerzhaften Krankheit findet er in der Malerei einen guten Ausgleich. Seine Frau Isabel und die ganze Familie unterstützen und motivieren ihn, und er schafft es einmal mehr. Seit 2007 hat er in der schönen Wohnung in Buchrain sein Malatelier, seinen Raum, in dem er wirken kann. Gerade jetzt gibt er dem Dampfschiff Uri den letzten Schliff. Es dauert noch eine gute Weile, bis er den Vierwaldstättersee-Dampfer in seiner ganzen Pracht zeigen kann. «Das Dampfschiff wurde ja auch nicht an einem Tag gebaut», fügt er augenzwinkernd an.

Und dann kommt noch etwas, das ihn anspornt, weitere Werke zu schaffen. «Wenn ich zum Beispiel im Rontal, meiner neuen Heimat, wieder einmal an einer Ausstellung mitmachen könnte, das wäre derzeit einer meiner grossen Wünsche, ich hätte Einiges zu zeigen. Wer weiss», sagt er und drückt -so gut es eben geht- seine beiden Daumen. Ich drücke mit.

Rolf Willimann

Den «Luzerner Bahnhofbrand 1971» hat er im Jahr 2003 auf die Leinwand gebracht.