Daniela Schwegler taucht in die Welt der Fährleute ein – auch am Rotsee

Nach den erfolgreichen Bergfrauen-Büchern taucht Daniela Schwegler in Wasserwelten ein. Feinfühlig erzählt sie aus dem Leben der Fährleute in der Schweiz. Im Buch UFERLOS werden unter anderem spannende Geschichten von den Rotseefährleuten Bernadette Burger und Otmar Baumann zum Besten gegeben. Stimmungsvolle Bilder von Ephraim Bieri runden das Buch ab.

UFERLOS porträtiert Fährleute von zehn Fähren: Ein Klangmagier, der zur Blauen Stunde auf der Fähre konzertiert und sein Publikum in den Bann zieht, ein Bauer, der seine Rinder auf die Insel Ufenau überschifft, eine junge Frau, die sich ihren Platz am Steuerruder erkämpfte. Oder wie Bernadette Burger und Otmar Baumann, das Fährleutepaar vom Rotsee, für das mit der Übernahme der Fähre und dem alten Fischerhaus 2018 ein Traum in Erfüllung ging. Wobei die Besitzverhältnisse etwas kompliziert daherkommen: Der Seehof gehört dem Kanton, das Fährihus der Stadt Luzern, die Fähri gehört dem Quartierverein Maihof, und das Ganze spielt sich in der Gemeinde Ebikon ab.

Der Rotsee, ein Göttersee, ist nicht nur das Ruder-Mekka für Athleten aus aller Welt, sondern auch ein bezauberndes Naturschutzgebiet und eine kleine Idylle vor den Toren der Stadt Luzern. Im alten Fischerhaus wohnen die Fährleute Bernadette Burger (64) und Otmar Baumann (68), die Ausflügler von hüben 300 Meter weit zum Seehof nach drüben schifft – und umgekehrt. «Als Fährleute sind wir angekommen in einer Welt der Langsamkeit und Ruhe. Die Entschleunigung beschenkt uns mit einer vollkommen neuen Lebensqualität», sagen sie. Bernadette war Lehrerin, Conférencière, Museums- und Schulleiterin, ihr Partner Otmar war Architekt und Maurer, eine Zeit lang in einem Möbelhaus im Backoffice tätig. Beide liessen sie sich vorzeitig pensionieren, unternahmen Reisen, mehrmals waren sie schon in Südafrika. Und dann lockte die Rotseefähre.

«Die Kombination aus Schifffahren und
Auf-dem-Wasser-Sein ist einfach paradiesisch.»
Bernadette Burger

Als Meister der Beobachtung registrieren sie jede kleinste Veränderung in der Umgebung: Das blühende Hechtkraut, eine neue Biberfrassspur, die Haubentaucherfamilie mit Nachwuchs oder das explosive, hell leuchtende Abendrot über dem See. «Unser Job ist wie ein Lottosechser mit Zusatzzahl», schwärmt Otmar. Zur Ruhe im kleinen Paradies trägt auch der neue Elektromotor des Fährboots «Libelle» bei, der den alten Benzinantrieb ersetzte. Das Schöne daran: Die Energie liefert mit der Solaranlage auf dem Bootshaus die Sonne.

Nur Flugzeuge trüben die Idylle

Eine Staffel von Militärflugzeugen fliegt über den See. Das ist der einzige Nachteil, der ihre Idylle ab und zu stört. Denn hinter dem Hundsrücken liegt der Militärflugplatz Emmen.

Pause ist angesagt. Bei Sonnenschein geniessen die beiden vor dem Fährhaus einen Kaffee. Auf dem Tisch liegt das Buch des Quartiervereins Maihof mit der Geschichte des Rotsees. Bernadette zitiert: «Der See friert im Winter manchmal zu. 2012 war er letztmals so fest zugefroren, dass man ihn betreten konnte.» In der Vitrine unten beim Spazierweg hängt ein Foto von damals. Ganz speziell war das «schwarze Eis», es lag also kein Schnee auf dem See. Früher brachen sie hier auch Eis raus für Brauereien und Hotels, für sie war es von grossem Nutzen. Damals gab es noch keine Kühlschränke. «Kaltes Bier liebte man früher schon», meint Otmar.

«Der Rotsee-Fährbetrieb ist übrigens
über 600 Jahre alt.»
Otmar Baumann

Ab 1885 lieferte der See den Stadtbewohnern professionell gewonnenes Eis. Damals gefror der See fast jedes Jahr zu. Aus der Eisschicht wurden Blöcke herausgesägt und in isolierten Kellern im Maihofquartier eingelagert, wo sie bis im Herbst haltbar waren. Der Transport rund 40 Höhenmeter hoch ins Quartier war mühsam und wurde anfänglich auf dem Rücken bewältigt. Später wurde das Eis mit einem dampfbetriebenen und noch später mit einem elektrischen Transportsystem befördert. Mit dem Aufkommen von Kühlanlagen ab den 1910er-Jahren wurde die Natureisgewinnung eingestellt. 

Was will man da noch mehr?

«Unser Job bringt uns so unglaublich viel, darum haben wir auch so den Plausch daran. Fährenfahren ist der schönste Job, den ich je hatte. Wir geniessen unser Paradies jeden Tag», sagt die Fährifrau. Wenn sie das mit Otmar zusammen noch lange machen kann, dann ist das für sie absolut sinnstiftend. «Es ist doch etwas vom Schönsten, das, was wir hier haben, teilen zu können und unseren Gästen damit auch noch eine Freude zu bereiten. Was will man mehr?», hält sie abschliessend fest. 

Rolf Willimann

Betriebsart: Motorboot «Libelle». Fährleute sind Bernadette Burger und Otmar Baumann. Die Betriebszeiten: 1. April bis 31. Oktober, 9–11.45 und 13.15–17 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage durchgehend. November, samstags und sonntags, 10–16 Uhr. Besitzer: Quartierverein Maihof Luzern. Passagiere pro Jahr: 10 000–13 000. Besonderes: Die Rotseefähre läuft mit Elektromotor, den Strom dazu liefert die Solaranlage auf dem Dach des Bootshauses.

Mehr Informationen zum Buch: Daniela Schwegler – UFERLOS – Fährleute im Porträt, 260 Seiten, gebunden. ISBN 978-3-03913-041-2. Fr. 39.00 im Buchhandel oder www.as-verlag.ch

rowi