Rechts oben befindet sich ein Seilhaken

30 Jugendliche und 8 Leiter verbrachten eine Juli-Woche im Kletterlager beim Steingletscher am Sustenpass. Wer zwischen 10 und 20 Jahre alt war konnte sich in diesem Sommer anmelden, vom Anfänger bis zum weit fortgeschrittenen Kletterer mit Erfahrung.

Die Gruppen wurden nach Können und Talent eingeteilt. „Diesmal hat uns Corona in die Hände gespielt“, sagt Christian Braun, der Kursverantwortliche der Naturfreunde Aargau. Im Zivilleben ist er Besitzer einer eigenen Schreinerei in Windisch und Werklehrer in Würenlos. Viele Familien mussten die Auslandferien absagen und für die Jugendlichen bot sich kurzfristig diese Kletterwoche an. Neben ihm steht und nickt der bärtige, braungebrannte Bergführer Tom Zwahlen, ein echter Bergler wie aus dem Bilderbuch, der vor Jahrzehnten den Mount Everest bestiegen hat, als das noch ein wagemutiges Erlebnis war.

Die Jugendlichen wirkten beim Klettern fröhlich und lachten, waren trotzdem konzentriert und vorsichtig bei jedem Griff und beim Absetzen des Fusses. Es konnte nichts passieren, denn Helfer sicherten mit dem Seil und erteilten Ratschläge. „Rechts oben befindet sich ein Seilhaken“, ruft der Helfer einem Jungen zu. Es sind frühere Kursteilnehmer, die jetzt diese Aufgabe übernahmen. Auch hier hat das Coronajahr mitgeholfen. Kurzarbeit ermöglichte den Helfern kurzfristig die Teilnahme.

Gegen Abend sassen einige Kinder beim Gletscherbach und vergnügten sich dort, andere wurden nicht müde, immer wieder hochzusteigen und sich zu verbessern, denn nächstes Jahr möchte man in eine höhere Klasse eingestuft oder vielleicht sogar Helfer werden. Ja, es waren aufgeweckte, aktive Kinder, nichts von Müssiggang. Auch schlechtes Wetter konnte ihnen nichts anhaben, und wer eine Woche lang klettert, muss schon eine gute Portion Willen und Ausdauer mitbringen.

Nächstes Jahr geht es mit dem 50-Jahr-Jubiläum weiter. Vom 10. – 16. April 2021 findet in Oberwald im Wallis das Tourenlager Ski und Snowboard statt und das Kletterlager am Sustenpass vom 24. bis 30. Juli 2021. Wer dabei sein möchte, kann sich unter kurschef@naturfreunde-aargau.ch oder auf bergsteigerlager.ch anmelden. Auch Nichtmitglieder sind herzlich willkommen.

Colin: „Ich will Bergretter werden“

Colin Mwangi fällt unter den Jugendlichen auf. Sein Vater stammt aus Kenia, seine Mutter ist eine waschechte Oberfreiämterin. Der 17-jährige, der seit seinem ersten Altersjahr in Mühlau wohnt, arbeitet als Fage-Lehrling im Altersheim Maria-Bernarda im Nachbardorf Auw, nur wenige Meter vom Geburtshaus der 2008 vom Papst Benedikt heilig gesprochenen Maria-Bernarda Villiger.

Schon im Lager ist er durch sein charmantes Auftreten und seine Sozialkompetenz aufgefallen. Er hat von zu Hause Spiele mitgenommen, damit nicht alle dauernd mit ihren Handys gamen. Nun amtet er als Spielleiter von Black Jack und Poker. Bei einem Gesprächstermin an seinem Lernort nach Arbeitsschluss in der Cafeteria, meinte er spasshaft: „Herzlich willkommen, möchten Sie gerade bei uns bleiben?“ und bricht in schallendes Gelächter aus. Er sei kein einfacher Primarschüler gewesen, das habe sich in der Oberstufe jedoch geändert. Jetzt betreut er betagte Leute, das gefällt ihm und auch die Heimbewohner schätzen seine fröhliche Art. Das ist für einen 17-jährigen, der mit 188 cm
Grösse und nur 55 Kilos ganz die Art seines kenianischen Vaters geerbt hat, nicht einfach.

Den Bewohner Essen eingeben, aus dem Bett heben, waschen, in den Gängen beim Gehen helfen oder beim Tod dabei sein, das steckt er professionell weg und nimmt die Belastung nicht nach Hause mit. Er spielt in der Musikgesellschaft Mühlau Es-Horn, geht gerne wandern und neu auch klettern. Seine Mutter hat in der Zeitung die Ausschreibung des Kletterlagers gelesen und ihn angemeldet. Er möchte nach der Lehre Ambulanz-Rettungssanitäter werden oder gar bei der Rega. Dazu brauche er Kenntnisse und praktische Erfahrung im Klettersport und die kann er sich bei den Naturfreunden aneignen.

So freut er sich auf das Lager 2021, wo er auf ein Wiedersehen mit seinen Bergkameraden hofft, falls er zu dieser Zeit Ferien erhält. Dabei blickt er in Richtung Büro des Heimleiters. Da er dann 18 Jahre alt ist, kann er vielleicht sogar als Helfer dabei sein. J+S-Leiter möchte er werden, auch bei den Naturfreunden leiten, wenn er dafür noch Zeit findet. Sagt’s, erhebt sich und fragt einen Bewohner, ob er ihm helfen könne, dabei ist seine Arbeitszeit vor zwei Stunden abgelaufen.

Bericht und Fotos: Hans Kaufmann