Kinder und ihr Handy: Alles nur Vorurteile?

Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter der Swisscom im Interview mit unserer Zeitung. Bild apimedia

Rund um die Mediennutzung von Teenagern kursieren viele Vorurteile. Was ist da eigentlich dran? Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter der Swisscom, klärt auf.

Michael In Albon, den heutigen Jugendlichen wird nachgesagt, dass sie nur noch am Handy hängen. Ist das so?

Diese Aussage ist zweifellos übertrieben. Gemäss der neusten JAMES-Studie, die wir in Zusammenarbeit mit der Zürcher Universität für Angewandte Wissenschaften durchgeführt haben, treffen immer noch 70 Prozent der befragten Jugendlichen gerne Freunde oder treiben Sport. 25 Prozent unternehmen auch gerne etwas mit der Familie. Diese Zahl ist sogar steigend im Vergleich zur letzten Studie, die zwei Jahre zuvor erschienen ist. Aber das Freizeitverhalten der Jugendlichen hängt stark vom Alter, Geschlecht und der familiären Situation ab.

Eine verbreitete Meinung ist auch, dass Teenager in sozialen Netzwerken alles von sich preisgeben.

Auch das muss man relativieren. Jugendliche verhalten sich durchaus zurückhaltend und geben wenig von sich öffentlich preis. Wenn es mal ein Kind nicht tut, berichten die Medien sehr gerne darüber und das verfälscht das Bild. Viele Jugendliche setzen auf halböffentliche Räume, wenden sich an ein ausgewähltes Publikum oder legen Wert auf eine zeitliche Beschränkung ihrer Posts. Beliebt sind Snaps, die man nur einmal anschauen kann, und Storys, die nach 24 Stunden verschwinden. Bemerkenswert ist
auch, dass nur 29 Prozent der Jugendlichen eigene Beiträge posten, 82 Prozent schauen Beiträge von anderen an oder liken sie. Dieses Verhalten unserer Jugend zeigte sich übrigens in allen JAMES-Studien seit 2010. Ich würde behaupten: Kinder sind oft vorsichtiger mit privaten Daten als Erwachsene.

Stimmt es hingegen, dass Teenager fast nur noch Gratisangebote nutzen?

Gratisangebote sind nicht gratis. In der Regel bezahlt man mit seinen Daten. Insofern sind Bezahldienste transparenter. Die Verbreitung solcher Abos hat sich innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt. Spotify und Netflix sind bei vielen Teenagern heute Must-haves. Es sind aber nicht nur die Jugendlichen, die auf solche Angebote setzen. 51 Prozent der Familien und 35 Prozent der Jugendlichen besitzen ein Musik-Streaming-Abo, 56 Prozent der Familien und 33 Prozent der Jugendlichen nutzen ein Film- und Serien-Streaming-Abo.

Was sagen Sie zur Ansicht, dass Teenager selber bestimmen, was sie konsumieren?

Das stimmt nur zum Teil. Teenager jonglieren mühelos mit mehreren Apps, bespielen parallel unterschiedliche Kommunikationskanäle und wechseln von einem Screen zum nächsten. Die ständig steigende Informationsflut bewältigen sie durch ein knallhartes Auswahlverfahren: Sie klicken, lesen und schauen, was schon andere aus dem digitalen Umfeld für gut befunden haben. Dieses Verhalten birgt allerdings auch das Risiko, in einer Infoblase seiner eigenen Interessen steckenzubleiben.

Jungs gamen viel häufiger als Mädchen, richtig?

Richtig. Zwei Drittel der Jungs gamen täglich oder mehrmals pro Woche. Bei den Mädchen sind es gerade mal 11 Prozent. Es wird zurzeit viel über die Gründe dieses Unterschieds diskutiert. Manche machen die Spiele-Inhalte dafür verantwortlich, da beispielsweise Shooter – das sind die erfolgreichsten Games – eher die Knaben ansprechen und mädchenaffine Game-Inhalte einen kleineren Markt haben. Andere sehen die Gründe in der Sozialisierung (Erziehung), wieder andere in der grundsätzlich unterschiedlichen Nutzungspräferenz digitaler Medien bei Knaben und Mädchen.

Alex Piazza

Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter der Swisscom im Interview mit unserer Zeitung. Bild apimedia