«Die Polizei kann ihre Kernaufgaben nicht mehr zu 100 Prozent abdecken»

Max Hofmann, Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter, kennt sich in vielen Aspekten der Sicherheit aus. Bild zvg

Weil in Ebikon ein Ehepaar von Einbrechern bedroht worden war, ist die bereits vor Jahren ins Leben gerufene Bürgerwehr wieder aktiv geworden. Der «Rontaler» sprach mit Max Hofmann, Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter, über aktuelle Aspekte der Sicherheit.

Ist die Polizei nicht mehr in der Lage, die Bürger zu schützen?
Das kann man so plakativ nicht sagen. Klar ist aber, dass die Polizei mit den heutigen Beständen ihre Kernaufgaben nicht mehr zu 100 Prozent abdecken kann. Die steigende Kriminalität, die immer neuen Aufgaben, welche die Politik der Polizei zuschiebt, und eine Strafprozessordnung, die leider die Polizistinnen  und Polizisten an die Schreibtische bindet, sind alle zusammen schuld daran. Was als erstes dann daran glauben muss, ist die sehr wichtige Präventionsarbeit, die Präsenz auf dem Terrain.

 

Ist die Welt unsicherer geworden, oder ist das eine subjektive Empfindung?
Die Welt hat sich verändert, und die Schweiz ist keine Ausnahme mehr. Es ist nun wirklich keine subjektive Empfindung mehr. Auch der Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und -direktorinnen, der Berner  Regierungsrat Hans-Jürg Käser, musste eingestehen, dass die Schweiz nun mit ihren Kriminalstatistiken in Europa gelandet ist. Leider sind die Zahlen der Polizistinnen und Polizisten pro 100‘000 Einwohner nicht auf demselben Niveau. Wenn in Europa 319 Polizisten pro 100‘000 Einwohner im Einsatz stehen, haben wir in der Schweiz «nur» gerade 221.

Was können Bürger tun, wenn sie sich nicht mehr sicher fühlen?
Es gibt hier verschiedene Massnamen. So zum Beispiel die Sicherheit der Gebäude stärken, namentlich Türen, Fenster, Schlösser, mehr Licht usw. Sehr wichtig ist aber, dass man jede verdächtige Bewegung sofort der Polizei meldet.

Was halten Sie von Bürgern, die zur Selbsthilfe greifen?
Ich finde, es ist ein Mittel der Verzweiflung. Für mich ist es klar: wenn die Bevölkerung zur Selbsthilfe greift und zum Beispiel eine Art Bürgerwehr gründet, dann hat der Staat den Kampf gegen die Kriminalität verloren. Die Menschen haben den Staat gegründet, wenn man es so sagen kann, und ihm gewisse Kompetenzen wie die Sicherheit abgegeben. Wenn der Staat dies nicht mehr machen kann, dann müssen neue Mittel generiert werden, um dies wieder zu ermöglichen.

Gibt es eine Alternative zur Polizei?
Für die staatlichen und hoheitlichen Aufgaben, nein. Diese gehören ganz klar in die Hände des Staates.

Was sagen Sie zur wachsenden Zahl privater Sicherheitsanbieter?
Es ist seit Jahren §eine offensichtliche Tatsache, dass solche Unternehmen das gute Geld gerochen haben. Die Sicherheit kann für diese Firmen zu einem sehr interessanten Geschäft werden, bei dem viel Geld verdient werden kann. Aber: darf ein Verwaltungsrat oder ein einziger CEO dann die Sicherheitsstrategie beeinflussen oder sogar bestimmen? Was würde die Bevölkerung sagen, wenn wir plötzlich unterschiedliche Sicherheitslevel hätten, zum Beispiel für die Reichen und die anderen?

Was müsste für mehr Sicherheit in Zukunft ändern?
Ein wesentlicher Faktor ist die Präsenz der Polizei auf den Strassen, in den Tälern, vor den Schulen usw. Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass die Sicherheit nicht gratis ist. Aber eines ist festzuhalten: mit mehr Sicherheit haben wir mehr Wohlstand, was wiederum ein besseres soziales Umfeld mit sich bringt. In der Schweiz brauchen wir viel mehr Polizistinnen und Polizisten, damit Ruhe und Ordnung wieder auf einem hohen Niveau gewährleistet ist.

Max Hofmann, Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter, kennt sich in vielen Aspekten der Sicherheit aus. Bild zvg
Max Hofmann, Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter, kennt sich in vielen Aspekten der Sicherheit aus. Bild zvg

Sonja Hablützel